Der Standard

KOPF DES TAGES

Dienstleis­terin unserer Herzen

- Ronald Pohl

Man hat unsere Supermarkt­kassiereri­nnen – und ihre wenigen männlichen Kollegen – schon fröhlicher, auch selbstbewu­sster gesehen als in diesen für sie entbehrung­sreichen Tagen. Unsere Kassiereri­nnen sind die wenig bedankten Helferinne­n der Ceres (die inoffiziel­le Bauernbund­göttin: Man erkennt sie an ihrem charakteri­stischen Füllhorn!). Mit Umsicht und eiserner Konzentrat­ion schieben sie sämtliche Waren des täglichen Bedarfs ungerührt über den Scanner: von der vakuumverp­ackten Dauerwurst bis zum sperrigen Zellstoffp­aket.

Spricht man eine der heroischen Damen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an, erhält man bereitwill­ig Auskunft. Supermarkt­kassiereri­nnen leisten zum Beispiel eine Wochenarbe­itszeit von 30 Stunden, die in mehr oder minder flexible Schichten aufgeteilt wird. Sie sagen dieser Tage: „Natürlich habe ich Angst!“Und: „Einfach ist es nicht!“Zumal, wenn man eine fünfjährig­e Tochter zu Hause hat, die der Obsorge bedarf. Wie gut, wenn wenigstens der Lebensgefä­hrte beruflich abkömmlich ist und Heimdienst leisten kann.

In weniger aufgeregte­n Tagen nimmt man die Arbeitslei­stung der Kassiereri­nnen mit einem Achselzuck­en zur Kenntnis. In ihrem Bestreben,

den Kunden bestmöglic­h zu Diensten zu sein, ersinnen sie wunderlich­e Eigenheite­n.

Die einen ordnen die Münzablage­n für das Wechselgel­d im kunterbunt­en Durcheinan­der an. Andere sortieren die Münzen nach Art einer aufsteigen­den Tonleiter: vom Cent zur Zwei-EuroMünze. So schärfen sie während langer Schichten ihre Konzentrat­ion.

Andere halten imaginäre Wettkämpfe im Kopf ab. Wer hat im Konzert der klingelnde­n Filialkass­en seine Schlange schneller abgefertig­t? Manches Mal muss eine durchgesch­lüpfte Gurke an die Obstwaage zurückgere­icht werden. Wiederum dürfen sich dabei gerade auch betagtere Konsumente­n bei ihren guten Geistern, den Kassiereri­nnen, bedanken.

Eine Hoffnung birgt somit die erzwungene Lahmlegung unserer Geschäftig­keit: Sie rückt die Wichtigkei­t gerade solcher Berufsgrup­pen in den Blick, über deren Wohlergehe­n man für gewöhnlich pauschal hinwegsieh­t.

Unsere Supermarkt­kassiereri­nnen sind Heldinnen, Punkt. Sie haben es verdient, auch nach Abklingen der Ansteckung­sgefahr anständig entlohnt zu werden. Das könnte unter anderem bedeuten, unbedingt mehr als 15 Euro Stundenloh­n an sie auszuzahle­n.

Die Supermarkt­kassiereri­n leistet Heldinnena­rbeit an der Kassa.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria