Der Standard

Mit Volldampf auf die Straße

Um die Klimavorga­ben zu erreichen, wird seitens der Lkw-Branche über alternativ­e Antriebe nachgedach­t. Im Fokus steht deren Elektrifiz­ierung. Ein möglicher Weg dahin ist der Einsatz von Wasserstof­f. In der Schweiz startet ein einschlägi­ges Großprojek­t.

- Markus Böhm

Das Vehikel sieht von außen aus wie ein stinknorma­ler Lastwagen, seine Bezeichnun­g deutet aber an, dass es sich nicht um einen Dieselbrum­mi handelt: H2 Xcient. Schließlic­h steht H2 für die chemische Formel von molekulare­m Wasserstof­f. Der Truck, entwickelt von Hyundai, fährt mit Brennstoff­zellen, die mit Wasserstof­f „betankt“werden und diesen in Strom für den Elektroant­rieb umwandeln.

Die Koreaner verspreche­n, dass das Nutzfahrze­ug dank seines 190-KW-Brennstoff­zellensyst­ems mit zwei parallel geschaltet­en Brennstoff­zellen-Stacks und seinen sieben Wasserstof­ftanks (Fassungsve­rmögen: 35 Kilogramm) eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern hat. Das macht die Sache für den Güternahve­rkehr interessan­t. Von der Handhabung ist es fast wie ein herkömmlic­her Diesel-Lkw, weil das Fahrzeug ähnlich betankt werden kann und das schneller vonstatten­geht als etwa bei einem reinen E-Fahrzeug, das noch dazu schwere Batterien mit an Bord hat, was sich negativ auf die Nutzlast auswirkt. Attraktiv ist die Technologi­e auch deswegen, weil der Systemwirk­ungsgrad der Brennstoff­zelle über dem von Verbrennun­gsmotoren liegt.

Nachhaltig­keit gewährleis­ten

Der größte Vorteil: Es gibt keinerlei Emissionen, es wird nur Wasserdamp­f ausgestoße­n. Aus diesem Grund ist der Wasserstof­fLkw ein Hoffnungst­räger für die Transportb­ranche, die mit immer strengeren Umweltvorg­aben seitens der EU konfrontie­rt ist. So sollen die CO2-Emissionen für schwere Lkws europaweit um 15 Prozent bis 2025 bzw. 30 Prozent bis 2030 (auf Basis der Werte von 2019) gesenkt werden.

Nachhaltig ist der Transport mit Wasserstof­f aber nur dann, wenn dieser mit erneuerbar­er Energie hergestell­t wird: Allerdings wird der aktuell auf dem Markt erhältlich­e Wasserstof­f meist aus fossilen Quellen wie Erdgas oder Kohle gewonnen. Hinzu kommt, dass die Herstellun­g selbst viel Energie benötigt, was die Bilanz verschlech­tert. Zudem fehlt die Tankstelle­n-Infrastruk­tur.

Nichtsdest­otrotz liefert Hyundai noch heuer die ersten Wasserstof­f-Lkws in der Schweiz aus. Bis 2025 sollen dort insgesamt 1600 Laster unterwegs sein. Dafür hat sich auf Initiative der Privatwirt­schaft der Fördervere­in H2 Mobilität Schweiz gegründet. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2023 ein Netz an Wasserstof­ftankstell­en aufzubauen.

Alle Mitglieder, darunter die Einzelhand­elsriesen Coop und Migros, verfügen zusammenge­rechnet über ein Netz von 2000 Tankstelle­n sowie eine Flotte von mehr als 4000 schweren Nutzfahrze­ugen und haben so das Potenzial, eine entspreche­nde Infrastruk­tur

in der Schweiz aufzubauen, wie es vonseiten des Vereins heißt. Bis 2023 die weltweit größte Flotte an Wasserstof­fElektronu­tzfahrzeug­en zu haben ist das deklariert­e Ziel. Im Rahmen eines Joint Venture, dem auch Hyundai angehört, sollen interessie­rten Unternehme­n Fahrzeuge zu Verfügung gestellt werden. Gezahlt wird pro gefahrenem Kilometer, Treibstoff, Unterhalt, Versicheru­ng und Service sind inkludiert. Damit auch die Wasserstof­fproduktio­n nachhaltig ist, wurde Hydrospide­r, ein weiteres Joint Venture aus Wasserstof­fspezialis­ten und Energiever­sorgern gegründet: Man verwendet dazu eine seit Ende 2019 laufende, neue 20-Megawatt-Elektrolys­eanlage. Sie bezieht ihren Strom aus einem Wasserkraf­twerk, das klimaneutr­al arbeitet.

Bald öfter auf Schweizer Straßen zu sehen: Wasserstof­f-Lkws.

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