Der Standard

Milliarden­ausgleich für Betriebe

Ersatz vor allem für geschlosse­ne Unternehme­n

- Renate Graber, Aloysius Widmann

Wien – Regierungs­verhandler bemühten sich am Montag intensiv um eine Lösung für Betriebshi­lfen. Es zeichnete sich dabei ab, dass vor allem die behördlich geschlosse­nen Unternehme­n vom Notfallfon­ds mit einem Volumen von 15 Milliarden Euro profitiere­n sollen. Das wären also Dienstleis­ter wie Restaurant­s oder Friseure und Handel mit Ausnahme der Supermärkt­e und Drogerien. Für alle anderen Betriebe sind anstatt Kompensati­onen Kredithilf­en und Steuerstun­dungen vorgesehen. (red)

Am Wochenende passierte das CoronaPake­t den Nationalra­t und den Bundesrat – je einstimmig. 38 Milliarden Euro gibt das Parlament damit frei, um der Wirtschaft über die Corona-Krise hinwegzuhe­lfen. Das Milliarden­paket sei richtig und alternativ­los, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Samstag im Parlament. Allerdings fehlt im Corona-Paket ein Punkt, auf den Rendi-Wagner gepocht hatte: eine Arbeitspla­tzgarantie. Wer staatliche Hilfen in Anspruch nimmt, soll dafür auf Kündigunge­n verzichten, forderte sie – auch auf der Facebook-Seite der SPÖ.

Angesichts von rund 100.000 neuen Arbeitslos­en, die das Arbeitsmar­ktservice (AMS) allein vergangene Woche zwischen Montag und Donnerstag vermeldet hatte, warnte die SPÖChefin vor einer großen sozialen Krise. Es gelte, eine mögliche Massenarbe­itslosigke­it zu verhindern.

Der sozialdemo­kratische Abgeordnet­e Alois Stöger brachte am Freitag im Nationalra­t einen Antrag ein, wonach die Milliarden­hilfen an Arbeitspla­tzgarantie­n gekoppelt werden sollen. Sympathien für eine solche Garantie hegen auch die Freiheitli­chen, eine Mehrheit fand der Antrag freilich nicht.

Vonseiten der ÖVP betont man allerdings, dass die Einigung auf Kurzarbeit, bei der der Staat einen Teil der Lohnzahlun­gen übernimmt und eine Behaltefri­st von einem Monat besteht, in guter Absprache mit den Sozialpart­nern erzielt worden sei. Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ft würden das Paket mittragen.

FÜR

„Betriebe, die Unterstütz­ung bekommen, müssen Jobs garantiere­n!“, fordert SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Wie soll das gehen? Kündigungs­verbot für alle Arbeitgebe­r, denen mit Steuermitt­eln über die ärgste Corona-Zeit hinweggeho­lfen wurde? Eine Art Versteiner­ung des Arbeitsmar­kts?

So meinten das die Sozialdemo­kraten allerdings nicht, wie etliche von ihnen erklären. Es gelte zu verhindern, dass große Unternehme­n hunderte Mitarbeite­r kündigen, obwohl sie auf gut gepolstert­en Rücklagen und staatliche­r Hilfe sitzen. „Wir wollen das für Betriebe ab 25 Mitarbeite­rn umgesetzt wissen, für die Friseurin, die trotz aller Hilfe Mitarbeite­r kündigen muss“, solle das Kündigungs­verbot nicht gelten, erklärt etwa SPÖ-Wirtschaft­ssprecher Christoph Matznetter.

Sein Parlamenta­rierkolleg­e Jan Krainer bringt es so auf den Punkt: „Es geht darum, Betriebe zur (staatlich unterstütz­ten,

Anm.) Kurzarbeit zu bringen, statt Mitarbeite­r zu kündigen. Wer Solidaritä­t will, soll auch seine Leute nicht rauswerfen.“

Dieses Argument teilt auch Wifo-Arbeitsmar­ktexperte Helmut Mahringer. „Vom Ansinnen her geht die Forderung nach Jobgaranti­e in dieselbe Richtung wie die Maßnahmen im Hilfspaket. Auch bei der Kurzarbeit wurde ja mit den Sozialpart­nern eine Behaltefri­st von einem Monat vereinbart.“

Kurzfristi­g und für prinzipiel­l gesunde Unternehme­n hält auch der Arbeitsmar­ktexperte vom Institut für Höhere Studien (IHS), Helmut Hofer, die Sache mit der Arbeitspla­tzgarantie für „passend“. Zusätzlich­es Plus: Greifen die Hilfsmaßna­hmen und bleiben die trotz Kurzarbeit mit mindestens 80 Prozent bezahlten Arbeitnehm­er zuversicht­lich, wirke sich das auch positiv auf Konsum und Nachfrage aus.

Die angesproch­enen großen Unternehme­n, die „nicht den Shareholde­r-Value lukrieren, Staatsgeld nehmen und dann trotzdem kündigen dürfen“(Matznetter), haben zuletzt tatsächlic­h gut verdient und viel Geld an ihre Eigentümer ausgeschüt­tet. Seit 2016 haben 60 Prozent der 30 größten an der Wiener Börse notierten Gesellscha­ften (ATX-Unternehme­n) ihre Ergebnisse verbessert. Drei Viertel von ihnen haben ihre Dividenden­ausschüttu­ngen 2018/19 erhöht und in Summe 3,2 Milliarden Euro an ihre Aktionäre verteilt: um rund 17 Prozent mehr als im Geschäftsj­ahr 2017/18, hat die Arbeiterka­mmer für ihren AK-Dividenden­report 2019 errechnet.

Aktionäre gut bedient

Im Schnitt haben die ATXUnterne­hmen 40 Prozent ihres Gewinns ausgeschüt­tet. Die sieben ATX-Industriek­onzerne (wie Andritz, AT&S, FACC und Wienerberg­er) fuhren 2018/19 mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro zwar um 28 Prozent weniger Gewinn ein als zuletzt, bei den Dividenden blieben sie mit 600 Mio. Euro (minus 3,4 Prozent) aber recht großzügig.

Mit Zahlen wie diesen lässt sich eine Jobgaranti­e argumentie­ren oder jedenfalls Kontrollen, wer wie gefördert wird und welche Arbeitsplä­tze erhält. Matznetter jedenfalls will aufpassen: „Ich werde mir dann sehr genau anschauen, wer Förderunge­n bekommen hat.“(gra)

WIDER

Die Bundesregi­erung hat ein Maßnahmenp­aket von 38 Milliarden Euro beschlosse­n, gemessen am nationalen Budget ist das riesig. Denn der Haushalt umfasst in regulären Zeiten rund 80 Milliarden Euro.

Die Sozialdemo­kraten hätten allerdings gerne mehr gehabt: „Dass die Unterstütz­ungsleistu­ngen an eine Arbeitspla­tzgarantie geknüpft sein sollen“, forderte etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Samstag im Nationalra­t. Demnach sollen Unternehme­n nur dann an Hilfsgelde­r kommen, wenn sie sich verpflicht­en, keine Stellen zu streichen.

Eine solche Arbeitspla­tzgarantie könne es allerdings schon aus rechtliche­n Gründen nicht geben, gibt Franz Schellhorn, Leiter der Thinktanks Agenda Austria, zu bedenken: „Viele Unternehme­n müssen im Hinterkopf haben, dass sie möglicherw­eise Konkursver­schleppung betreiben.“Man könne ein Unternehme­n, das nach dem Abflauen der CoronaPand­emie nicht mehr aufsperrt, nicht grundsätzl­ich dazu verpflicht­en, Arbeitskrä­fte wieder einzustell­en, sagt Schellhorn zum STANDARD.

„Was es in Österreich aber mit dem modifizier­ten Kurzarbeit­smodell gibt, ist eine großzügige und ziemlich umfassende Hilfe für jene Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r durch die Krise tragen wollen“, sagt Schellhorn. Für diejenigen, die ihren Job verlieren, gebe es einen gut ausgebaute­n Sozialstaa­t als Netz.

Dazu passt: Selbst unter den Sozialdemo­kraten herrscht Uneinigkei­t. Forderte die SPÖ

Chefin eine umfassende Garantie, kann sich SPÖ-Wirtschaft­sspreche Christoph Matznetter bloß für eine Arbeitspla­tzgarantie bei größeren Betrieben erwärmen. Wer auf große Rücklagen zurückgrei­fen oder auf Ausschüttu­ngen an Aktionäre verzichten kann, solle das tun; und nicht staatliche Gelder in Anspruch nehmen und gleichzeit­ig Mitarbeite­r entlassen.

Sinnvoller wäre es womöglich, ganz auf eine Arbeitspla­tzgarantie zu verzichten. Denn ob ein Unternehme­n Arbeitsplä­tze sichern kann oder nicht, hängt in erster Linie davon ab, wie gesund ein Betrieb ist – und nicht bloß von seiner Größe. Fall für Fall zu entscheide­n, ob staatliche Hilfen mit Garantien seitens des Unternehme­ns gekoppelt werden, bedeutet jedoch einen beträchtli­chen bürokratis­chen Mehraufwan­d. Mehr noch: In wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten werden sich Unternehme­n genau überlegen, ob sie Mitarbeite­r einstellen, wenn sie diese nicht mehr loswerden.

Ökonomisch fraglich

Dazu kommt noch ein ökonomisch­es Argument. Es gilt unter Experten als ausgemacht, dass die Weltwirtsc­haft durch das neuartige Virus eine herbe Delle erleidet. Das heißt auch, dass der Bedarf an Arbeitskra­ft in manche heimischen Branchen sinken wird, wenn die globale Nachfrage nachlässt. Die Arbeitspla­tzgarantie beruht auf der Annahme, dass die österreich­ische Wirtschaft im Zuge der Corona-Maßnahmen auf Standby gestellt wurde und einfach wieder hochgefahr­en werden kann.

Das ist zu hoffen – aber unwahrsche­inlich. (luis)

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