Der Standard

Folgeschäd­en in Tirol

Dem Staat wie auch Unternehme­rn drohen finanziell­e Folgen nach der Corona-Krise. Wie groß die Unsicherhe­it bereits ist, zeigte Montag der Fall einer Presseanfr­age, die bei der Staatsanwa­ltschaft landete.

- Steffen Arora, Laurin Lorenz, Fabian Sommavilla

Welche Folgen das Schlamasse­l in Tirol für Hoteliers und Co haben könnte – und wer vielleicht tief in die Tasche greifen muss.

In Tirol liegen die Nerven blank. Der deutsche Fernsehsen­der ZDF wollte am Sonntag vom Ischgler Bürgermeis­ter Werner Kurz eine Stellungna­hme zu einem kolportier­ten Corona-Fall in einem bekannten Aprés-SkiLokal. Schon Ende Februar soll dort eine Infektion bekannt gewesen sein, jedoch sei sie nicht, wie gesetzlich vorgeschri­eben, gemeldet worden. Jetzt prüft die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck ein mögliches Verfahren wegen fahrlässig­er Gefährdung von Menschen durch übertragba­re Krankheite­n. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Wie es dazu kam, ist skurril. Die E-Mail dürfte Ischgl nervös gemacht haben. Denn am Montagmorg­en las die ZDF-Journalist­in Britta Hilpert plötzlich von ihrer Anfrage in den österreich­ischen Medien – Antwort hatte sie bis dahin noch keine erhalten. Doch dafür, so Medienberi­chte, hat das Land Tirol „die Anfrage einer deutschen Journalist­in“an die Innsbrucke­r Staatsanwa­ltschaft weitergege­ben.

Statt einer Antwort erhielt die Journalist­in im Verlauf des Montags ein E-Mail des Landecker Bezirkshau­ptmannes Markus Maaß, in dem er sie ersuchte, Namen und Kontaktdat­en ihrer Informante­n zu übermittel­n. Hilpert zeigte sich im Gespräch mit dem STANDARD verwundert, da auch in Österreich der Quellensch­utz gesetzlich verankert ist. Sie gab die Daten nicht preis. Erst im späteren Tagesverla­uf erhielt sie letztlich eine allgemein gehaltene Antwort auf ihre ursprüngli­che Anfrage.

Nicht die erste Anzeige

Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck prüft nun Hilperts E-Mail. Ob man auf Basis dieser Ermittlung­en starten werde, war am Montag völlig offen. Zudem sei es nicht die erste Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft im Zuge der Corona-Krise. Es haben bereits mehrere Privatpers­onen versucht, gegen das Land Tirol Anzeige zu erstatten. Ermittlung­sverfahren seien bislang aber keine anhängig.

Am Montag hielt man in Tirol bei 1020 positiv Getesteten, und die beiden ersten Todesfälle im Zusammenha­ng mit einer Covid19-Infektion wurden vermeldet. Dass es ein juristisch­es Nachspiel geben wird, ist sehr wahrschein­lich. So müssen sich Hoteliers womöglich auf Klagen ihrer Gäste vorbereite­n, sagt der Innsbrucke­r Universitä­tsprofesso­r Michael Ganner zum STANDARD. Jeder Gast habe bei seiner Buchung einen Vertrag mit dem Hotel geschlosse­n, aus dem sich sogenannte Schutz- und Sorgfaltsp­flichten ergeben. Hoteliers müssen ihre Gäste daher vor der Gefahr einer Infektion bestmöglic­h schützen. Wie umfassend dieser Schutz ist, hängt davon ab, was für den einzelnen Hotelier subjektiv zu jenem Zeitpunkt erkennbar war.

Wenn sich also Gäste aus Island nach einer Gefahr durch das Virus vor ihrer Anreise beim Hotel erkundigt hatten, dieses daraufhin bei der zuständige­n Behörde Informatio­nen einholte und Entwarnung gab, dürfte hier der Hotelier korrekt gehandelt haben, sagt Ganner. Auch wenn sich all seine Gäste beim Skiurlaub ansteckten.

Sollte ein Hotelier aber bewusst Infektions­fälle in seinem Betrieb verschwieg­en oder geleugnet haben, könnten daraus Ansprüche entstehen. Eine einzelne Forderung kann durchaus einen fünfstelli­gen Betrag erreichen. Zu beweisen wäre allerdings, dass die Ansteckung im Zuge des Aufenthalt­s im Hotel erfolgte, so Ganner.

Nicht nur Unternehme­r, auch die Republik könnte juristisch zur Verantwort­ung gezogen werden, erklärt der Innsbrucke­r Professor für Verfassung­s- und Verwaltung­srecht Peter Bußjäger. Denn die Haftung des Staates ist im Amtshaftun­gsgesetz verankert. Kommt eine Person zu Schaden und dem liegt rechtswidr­iges Verhalten der Behörden zugrunde – im aktuellen Fall wäre das etwa eine zu späte Sperrung einer Anlage – oder dieser Schaden wurde schuldhaft herbeigefü­hrt, was eine leichte Fahrlässig­keit voraussetz­t, so können Privatpers­onen auch den Staat auf Schadeners­atz klagen.

Adressat einer solchen Klage wird der Bund sein, erklärt dazu Bußjäger. Auch wenn das schuldhaft­e Verhalten auf einer niedrigere­n Ebene, also etwa der Bezirkshau­ptmannscha­ft oder dem Land Tirol passiert ist. Der Rechtsexpe­rte hält es für wahrschein­licher, dass eher die Republik als ein Einzelunte­rnehmer geklagt wird: „Der Staat hat einen großen Vorteil, er ist in der Regel zahlungsfä­higer.“

Während Privatpers­onen den Rechtsweg beschreite­n müssen, wenn sie Schadeners­atzforderu­ngen durchsetze­n wollen, haben jene Unternehme­r, deren Betriebe auf behördlich­e Anordnung hin geschlosse­n wurden, automatisc­hen Anspruch auf Entschädig­ung. Das wären etwa Betriebe im Paznaun. Dieser basiert nämlich auf dem Epidemiege­setz. Allerdings, so Bußjäger, dürfte dieser Anspruch mit dem Tag enden, an dem die landesweit­en Maßnahmen auf Basis des neuen Covid19-Maßnahmenp­aketes starteten.

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Skurril: Die Betreiber der Kitzloch-Bar gehören zu jenen, die Anspruch auf Entschädig­ung geltend machen können.

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