Folgeschäden in Tirol
Dem Staat wie auch Unternehmern drohen finanzielle Folgen nach der Corona-Krise. Wie groß die Unsicherheit bereits ist, zeigte Montag der Fall einer Presseanfrage, die bei der Staatsanwaltschaft landete.
Welche Folgen das Schlamassel in Tirol für Hoteliers und Co haben könnte – und wer vielleicht tief in die Tasche greifen muss.
In Tirol liegen die Nerven blank. Der deutsche Fernsehsender ZDF wollte am Sonntag vom Ischgler Bürgermeister Werner Kurz eine Stellungnahme zu einem kolportierten Corona-Fall in einem bekannten Aprés-SkiLokal. Schon Ende Februar soll dort eine Infektion bekannt gewesen sein, jedoch sei sie nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, gemeldet worden. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft Innsbruck ein mögliches Verfahren wegen fahrlässiger Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Wie es dazu kam, ist skurril. Die E-Mail dürfte Ischgl nervös gemacht haben. Denn am Montagmorgen las die ZDF-Journalistin Britta Hilpert plötzlich von ihrer Anfrage in den österreichischen Medien – Antwort hatte sie bis dahin noch keine erhalten. Doch dafür, so Medienberichte, hat das Land Tirol „die Anfrage einer deutschen Journalistin“an die Innsbrucker Staatsanwaltschaft weitergegeben.
Statt einer Antwort erhielt die Journalistin im Verlauf des Montags ein E-Mail des Landecker Bezirkshauptmannes Markus Maaß, in dem er sie ersuchte, Namen und Kontaktdaten ihrer Informanten zu übermitteln. Hilpert zeigte sich im Gespräch mit dem STANDARD verwundert, da auch in Österreich der Quellenschutz gesetzlich verankert ist. Sie gab die Daten nicht preis. Erst im späteren Tagesverlauf erhielt sie letztlich eine allgemein gehaltene Antwort auf ihre ursprüngliche Anfrage.
Nicht die erste Anzeige
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft nun Hilperts E-Mail. Ob man auf Basis dieser Ermittlungen starten werde, war am Montag völlig offen. Zudem sei es nicht die erste Anzeige bei der Staatsanwaltschaft im Zuge der Corona-Krise. Es haben bereits mehrere Privatpersonen versucht, gegen das Land Tirol Anzeige zu erstatten. Ermittlungsverfahren seien bislang aber keine anhängig.
Am Montag hielt man in Tirol bei 1020 positiv Getesteten, und die beiden ersten Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid19-Infektion wurden vermeldet. Dass es ein juristisches Nachspiel geben wird, ist sehr wahrscheinlich. So müssen sich Hoteliers womöglich auf Klagen ihrer Gäste vorbereiten, sagt der Innsbrucker Universitätsprofessor Michael Ganner zum STANDARD. Jeder Gast habe bei seiner Buchung einen Vertrag mit dem Hotel geschlossen, aus dem sich sogenannte Schutz- und Sorgfaltspflichten ergeben. Hoteliers müssen ihre Gäste daher vor der Gefahr einer Infektion bestmöglich schützen. Wie umfassend dieser Schutz ist, hängt davon ab, was für den einzelnen Hotelier subjektiv zu jenem Zeitpunkt erkennbar war.
Wenn sich also Gäste aus Island nach einer Gefahr durch das Virus vor ihrer Anreise beim Hotel erkundigt hatten, dieses daraufhin bei der zuständigen Behörde Informationen einholte und Entwarnung gab, dürfte hier der Hotelier korrekt gehandelt haben, sagt Ganner. Auch wenn sich all seine Gäste beim Skiurlaub ansteckten.
Sollte ein Hotelier aber bewusst Infektionsfälle in seinem Betrieb verschwiegen oder geleugnet haben, könnten daraus Ansprüche entstehen. Eine einzelne Forderung kann durchaus einen fünfstelligen Betrag erreichen. Zu beweisen wäre allerdings, dass die Ansteckung im Zuge des Aufenthalts im Hotel erfolgte, so Ganner.
Nicht nur Unternehmer, auch die Republik könnte juristisch zur Verantwortung gezogen werden, erklärt der Innsbrucker Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht Peter Bußjäger. Denn die Haftung des Staates ist im Amtshaftungsgesetz verankert. Kommt eine Person zu Schaden und dem liegt rechtswidriges Verhalten der Behörden zugrunde – im aktuellen Fall wäre das etwa eine zu späte Sperrung einer Anlage – oder dieser Schaden wurde schuldhaft herbeigeführt, was eine leichte Fahrlässigkeit voraussetzt, so können Privatpersonen auch den Staat auf Schadenersatz klagen.
Adressat einer solchen Klage wird der Bund sein, erklärt dazu Bußjäger. Auch wenn das schuldhafte Verhalten auf einer niedrigeren Ebene, also etwa der Bezirkshauptmannschaft oder dem Land Tirol passiert ist. Der Rechtsexperte hält es für wahrscheinlicher, dass eher die Republik als ein Einzelunternehmer geklagt wird: „Der Staat hat einen großen Vorteil, er ist in der Regel zahlungsfähiger.“
Während Privatpersonen den Rechtsweg beschreiten müssen, wenn sie Schadenersatzforderungen durchsetzen wollen, haben jene Unternehmer, deren Betriebe auf behördliche Anordnung hin geschlossen wurden, automatischen Anspruch auf Entschädigung. Das wären etwa Betriebe im Paznaun. Dieser basiert nämlich auf dem Epidemiegesetz. Allerdings, so Bußjäger, dürfte dieser Anspruch mit dem Tag enden, an dem die landesweiten Maßnahmen auf Basis des neuen Covid19-Maßnahmenpaketes starteten.