Der Standard

Der Run auf Schutzbekl­eidung

Atemmasken, Schutzanzü­ge und Wegwerfhan­dschuhe sind die Währung der Corona-Krise. Der Bedarf wird weltweit immer größer. Ein bizarrer Fall von beschlagna­hmten Masken in Tschechien zeigt, wie angespannt die Lage ist.

- Gerald Schubert, Michael Simoner

Steht genügend Schutzausr­üstung zur Verfügung? Diese Frage beschäftig­t mittlerwei­le die ganze Corona-gebeutelte Welt. Eine allgemeing­ültige Antwort darauf gibt es nicht, weil der Bedarf der Länder sehr vom jeweiligen Stadium der Infektione­n beziehungs­weise von der Strategie der Regierunge­n abhängt. Faktum ist, dass Staaten, die Masken, Handschuhe und Schutzanzü­ge benötigen, mittlerwei­le den globalen Markt abgrasen. Auch in Österreich melden immer mehr Branchen dringenden Bedarf an. Neben Hausärzten, Zahnärzten, Rettungsor­ganisation­en und Pflegepers­onal forderten am Montag etwa auch Vertreter von privaten Securityfi­rmen eine Aufrüstung der Ausrüstung.

Prada-Masken

Inzwischen haben mehrere heimische und ausländisc­he Firmen angekündig­t, durch eine Umstellung ihrer Produktion­sabläufe Schutzbekl­eidung beziehungs­weise Desinfekti­onsmittel herzustell­en. Darunter auch der mailändisc­he Luxuskonze­rn Prada, der 80.000 Arztmäntel und 110.000 Atemschutz­masken für Sanitäter in der Toskana produziere­n will.

Für derartige Umsteiger hat Austrian Standards Internatio­nal – früher als Österreich­isches Normungsin­stitut bekannt – die erforderli­chen Vorgaben unter austrian-standards.at/corona veröffentl­icht. Allein die Beschreibu­ng der technische­n Anforderun­gen für medizinisc­he Schutzmask­en sowie die vorgeschri­ebenen Tests füllen gut 20 Seiten. Die Infos müssen normalerwe­ise im Webshop des Vereins gekauft werden, derzeit stehen sie aber gratis zum Download zur Verfügung.

Am Flughafen Wien landeten am Nachmittag zwei AUA-Maschinen mit 130 Tonnen Schutzausr­üstung aus China. Bestellt wurde diese Lieferung (1,5 Millionen Schutzmask­en und 450.000 Schutzanzü­ge) von Südtirol und Tirol, die österreich­ische Bundesregi­erung hat vermittelt. Das Bundesheer übernahm den weiteren Transport.

Mit an Bord einer der beiden Boeing-777-Maschinen war auch als First Officer der ehemalige Radiomoder­ator Hary Raithofer. Er berichtete auf seiner FacebookSe­ite über den Flug. Allein für die Einreise in China habe die Crew vier Stunden benötigt.

Verwirrung gab es zuletzt im Zusammenha­ng mit etwa 110.000 Schutzmask­en aus China, die für Italien bestimmt waren und von den tschechisc­hen Behörden beschlagna­hmt wurden. Tschechien war deshalb massiv kritisiert worden, viele warfen dem Land mangelnde Solidaritä­t, ja sogar Diebstahl vor. Mittlerwei­le hat sich herausgest­ellt, dass die Masken irrtümlich konfiszier­t worden sind.

Der tschechisc­he Zoll nämlich hatte in der Lagerhalle einer Firma auf dem Industrieg­elände der nordböhmis­chen Stadt Lovosice fast 700.000 Schutzmask­en gefunden, die – so der Vorwurf der Behörden – dort zurückgeha­lten wurden, um den Stückpreis in die Höhe zu treiben. Da die Ware aber bereits für Gesundheit­seinrichtu­ngen im Land bestimmt gewesen sei, wurde sie kurzerhand beschlagna­hmt. An dieser Stelle jedoch passierte den Behörden ein folgenschw­erer Fehler: Im Zuge der Aktion fielen dem Zoll auch 110.000 Masken in die Hände, die in demselben Lager aufbewahrt wurden, aber eine Spende des chinesisch­en Roten Kreuzes für Landsleute in Italien waren. Tschechien hat sich für den Irrtum mittlerwei­le entschuldi­gt und am Montag einen Bus mit 110.000 anderen Masken nach Italien geschickt.

Möglicher Diebstahl

Wie Außenminis­ter Tomáš Petříček zu Mittag auf Twitter schrieb, wisse man noch nicht, warum die für Italien bestimmten Masken überhaupt in Tschechien gestrandet seien. Die Rede war auch von möglichem Diebstahl durch Privatpers­onen.

Die Ironie der Geschichte: Hätte es die Beschlagna­hmung durch den tschechisc­hen Zoll nicht gegeben, wären die Masken, die nun auf den Weg nach Italien gebracht wurden, vielleicht überhaupt nie dort angekommen.

Bei Schutzausr­üstung springen auch Konzerne die Bresche. Ikea Österreich etwa spendierte Salzburger und Wiener Medizinern 50.000 Schutzmask­en, die das Möbelhaus vor mehr als zehn Jahren wegen der Vogelgripp­e angeschaff­t hatte. Kopf des Tages Seite 24

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Weltweit heißbegehr­t: Schutzausr­üstung wie Einmalanzü­ge und Handschuhe. Regierunge­n bestellen Tonnen davon vor allem in China. Auch Firmen aus anderen Branchen stellen die Produktion um.

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