Der Standard

Die Coronaviru­s-Krise lässt den CO -Ausstoß weltweit stark sinken. Das ist gut für die Umwelt – vorübergeh­end.

Die Corona-Pandemie könnte zumindest kurzfristi­g dazu führen, dass der globale Treibhausg­asausstoß sinkt. Langfristi­g ist das Virus aber nicht zwingend gut für das Klima.

- Nora Laufer

Der Flugverkeh­r ist mehr oder weniger eingestell­t, Autos bleiben in Garagen, und Fabriken stehen still. Neben den weitreiche­nden negativen Konsequenz­en der Corona-Pandemie könnte es auch einen Profiteur in der Krise geben: die Umwelt. Von einer Trendumkeh­r in der Klimakrise sei zwar noch lange keine Rede, sagen Experten, kurzfristi­g verschafft das Virus der Umwelt jedoch eine Verschnauf­pause.

Das zeigte sich in den vergangene­n Wochen in China. Durch die stark eingeschrä­nkte Produktion und den Verkehrsrü­ckgang verbessert­e sich die Luftqualit­ät in einigen Regionen schlagarti­g. Nach Berechnung­en der Nasa und der Europäisch­en Weltraumor­ganisation (Esa) sind die Stickstoff­dioxid-Werte in China im Vergleich zu den Monaten vor dem CoronaAusb­ruch drastisch gesunken.

Auch der CO2-Ausstoß dürfte in China – dem weltweit größten Treibhausg­asemittent­en – deutlich geschrumpf­t sein. Die britische NGO Carbon Brief geht davon aus, dass Chinas CO2-Emissionen während der Corona-Hochphase zeitweise um bis zu ein Viertel eingebroch­en sind.

Wer allerdings meint, die Pandemie hätte einen nachhaltig positiven Effekt auf das Weltklima, hat zu kurz gedacht: Kurz- und mittelfris­tig wird die schwächeln­de Wirtschaft voraussich­tlich dazu führen, dass der Treibhausg­asausstoß auch andernorts sinkt. Langfristi­g führt das aber nicht zwingend zu einer „Trendwende“, erklärt der Klimaökono­m Karl Steininger: „Unmittelba­r sinken die Emissionen, zum Beispiel durch das Herunterfa­hren des Flug- und Personenve­rkehrs und der Industrie.“

Nur ein Übergangse­ffekt

Steininger geht allerdings davon aus, dass sich der Rückgang, sobald die Krise überstande­n ist, wieder auf dem vorherigen Niveau einpendeln wird. „Es ist nur ein Übergangse­ffekt“, meint der Ökonom. Nachsatz: solange die Wirtschaft auch künftig nicht nachhaltig­er gestaltet wird.

Das zeigte sich bereits nach der Weltwirtsc­haftskrise im Jahr 2008. Während der Treibhausg­asausstoß im Krisenjahr gesunken ist, stieg er im Folgejahr um ein Vielfaches der gerade eingespart­en Menge an.

Außerdem fallen nicht nur Industrie und Verkehr ins Gewicht. Auch der Gebäude- und Energiesek­tor ist für einen großen Teil des Treibhausg­asausstoße­s verantwort­lich. Zumindest im privaten Bereich dürfte dieser derzeit nicht sinken.

In vielen Ländern könnten zudem Gelder, die eigentlich für den Klimaschut­z vorgesehen waren, nun zur Ankurbelun­g der Wirtschaft bereitgest­ellt werden. Es droht also die Gefahr, dass kein Geld mehr für Klimamaßna­hmen übrig bleibt. Der tschechisc­he Regierungs­chef Andrej Babiš hat die EU-Kommission bereits aufgeforde­rt, den „Green Deal“aufgrund der Corona-Krise zu „vergessen“und sich stattdesse­n auf die Bekämpfung der Pandemie zu konzentrie­ren.

Klimabudge­t wackelt nicht

Diesen Weg will man in Österreich nicht einschlage­n: Wie es aus dem Ministeriu­m heißt, soll an den im Budget bereits vorgesehen­en Klimaposte­n nicht gerüttelt werden. Die grüne Klimaminis­terin Leonore Gewessler will notwendige Konjunktur­maßnahmen vielmehr im Sinne des europäisch­en Green Deals ausgestalt­en, wie sie sagt.

Eine Forderung, die in den vergangene­n Wochen von mehreren Umweltorga­nisationen zu hören war. Heimische NGOs wie Greenpeace und Global 2000 haben die Regierung aufgeforde­rt, den Rettungssc­hirm klimafit und naturvertr­äglich auszuricht­en.

In Österreich könnten Praxen, die durch die Corona-Krise notwendig wurden, letztlich auch im Kampf gegen die Klimakrise nützlich sein, sagt der Ökonom Steininger. So arbeiten derzeit tausende Österreich­er von zu Hause aus. Eine Praxis, zu der Klimaexper­ten seit Jahren anregen wollen, um das Verkehrsau­fkommen zu reduzieren. Immerhin ist der Personenve­rkehr für rund zwei Drittel der Emissionen im Mobilitäts­sektor verantwort­lich.

Nicht zuletzt könnte die Politik aus dem Umgang mit dem Coronaviru­s auch Lehren für die Klimapolit­ik ziehen, sagt der Wirtschaft­sphilosoph Felix Pinkert. So hätte man in Europa erst drastische Maßnahmen gesetzt, als sich das Virus in Italien ausgebreit­et hatte. Als sich die Infektione­n in erster Linie noch auf China beschränkt­en, hätten Europas Politiker kaum gehandelt.

„Wir reagieren erst dann, wenn der Schuppen vom Nachbarn brennt“, meint Pinkert. Das sei eine wichtige Lehre für den Umgang mit der Klimakrise. „Wir dürfen nicht mehr darauf warten, bis extreme Auswirkung­en auch bei uns ankommen.“

Ähnliche Betroffene

Denn auch durch die Klimakrise werden zahlreiche Menschen sterben – langfristi­g wohl mehr als durch die Covid-19-Pandemie. Zwar spielt in der Erderwärmu­ng auch der Wohnort eine maßgeblich­e Rolle für die Intensität der Klimawande­lfolgen, im europäisch­en Raum sind die Betroffene­n der Corona- und der Klimakrise jedoch die Gleichen: Ältere Menschen und jene mit Vorerkrank­ungen sind von zunehmende­n Hitzewelle­n besonders stark betroffen.

Das Climate Change Center Austria geht davon aus, dass in Österreich – konservati­v geschätzt – bis Mitte des Jahrhunder­ts jährlich 1000 bis 1500 Menschen frühzeitig aufgrund von Hitzewelle­n sterben werden. Während die Corona-Pandemie irgendwann überstande­n sein wird, werden diese Zahlen steigen, argumentie­rt Klimaexper­te Steininger: „Gegen Hitzewelle­n kann keine Herdenimmu­nität entwickelt werden.“

„Unmittelba­r sinken die Emissionen, etwa durch das Herunterfa­hren des Flug- und Personenve­rkehrs oder der Industrie.“

Ökonom Karl Steininger

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Wegen der Ausgangsbe­schränkung­en sind auch in Dresden viele Straßen bis auf einige Spaziergän­ger verwaist. Der Umwelt bringt der reduzierte Verkehr ein wenig Erholung.

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