Der Standard

Suboptimal gelaufen

- Birgit Baumann

Ob Deutschlan­d mit seinen rund 83 Millionen Einwohnern in der Corona-Krise am Ende alles richtig und rechtzeiti­g macht, wird sich erst irgendwann in der Zukunft zeigen. Aber eines kann man jetzt schon feststelle­n: Auf dem langen Weg zum nun geltenden Kontaktver­bot im Freien lief es suboptimal.

Das liegt zum einen am deutschen Föderalism­us, der immer wieder hochgehalt­en wird – nach dem Motto: So viele Unterschie­de ergeben ein wunderbare­s, buntes Ganzes. Doch in einer solchen Ausnahmesi­tuation, wie sie derzeit vorherrsch­t, wuchs eher die Verwirrung.

Die EU-Länder konnten sich nicht einigen, und eine Ebene darunter, also in Deutschlan­d, sah es nicht anders aus. 16 verschiede­ne Bundesländ­er brachten 16 verschiede­ne Regelungen hervor, misstrauis­ch beäugte man die Ergebnisse, und viele fragten sich: Warum gilt nur ein paar Kilometer weiter, also über eine Ländergren­ze weg, anderes?

Man kann verstehen, dass Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angesichts der Nähe zu Tirol immer nervöser wurde. Aber „Bayern first“hat schon auch einen schalen Beigeschma­ck. Es zeigt, dass vom vielbeschw­orenen Sinn für die große Gemeinscha­ft nichts übrig blieb. Ministerpr­äsidenten, die in Katastroph­enzeiten streiten, tragen nicht zur bitter nötigen Vertrauens­bildung bei und konterkari­eren die Forderung der Kanzlerin, dass jetzt wirklich alle zusammenha­lten müssten.

Apropos Angela Merkel. Sie hätte sich von Anfang an stärker einbringen müssen – mangels Bundeskomp­etenz mit ihrer Persönlich­keit und Erfahrung als Krisenmana­gerin. Aber sie hat die Bühne zu lange Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) überlassen. In solchen Zeiten sehnen sich die Menschen nach klaren Worten von ganz oben.

Möglicherw­eise wird man eines Tage sagen, mit dem dann doch am Sonntag bundesweit vereinbart­en Kontaktver­bot – maximal zwei Personen dürfen sich draußen treffen – hat Merkel gerade noch die Kurve gekriegt. Vielleicht aber auch nicht. Bayern und Sachsen übrigens bleiben dabei: nur einzeln auf die Straße, das ist erlaubt.

Dass Merkel selbst, nach Kontakt mit einem infizierte­n Arzt, in häuslicher Quarantäne ist, zeigt hoffentlic­h den letzten Kritikern von Einschränk­ungen in Deutschlan­d: Es kann jeden treffen. Aber es stellt sich auch eine Frage: Wie konnte es passieren, dass jener Mediziner, der in einer eklatanten Krise die Kanzlerin behandelt, nicht getestet war?

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