Der Standard

Auch nach Ostern kein Normalzust­and

Die Regierung hofft, dass ab Ostern die Maßnahmen schrittwei­se zurückgeno­mmen werden können, wenn sich die Ansteckung­en nur alle zwei Wochen verdoppeln. Normalität wird dann nicht einkehren.

- Steffen Arora, Oona Kroisleitn­er

Die Bundesregi­erung will die Testkapazi­täten in Bezug auf das Coronaviru­s auf rund 15.000 Stück täglich ausweiten. „Wir werden auch auf Schnelltes­ts setzen, um diese Kapazitäte­n schnell zu erreichen und um hunderttau­sende Menschen zu testen“, sagte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag. Die hätten zwar nicht dieselbe Qualität wie jene, mit denen aktuell getestet wird, doch sei ein Vorteil, dass sie in größerer Stückzahl produzierb­ar seien, sagte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne). Flächendec­kende Tests werde es nicht geben, doch könne man dadurch den „spezifisch­en Infektions­grad“bestimmter Gruppen betrachten, etwa in einem Bezirk oder in Berufsfeld­ern.

Es sei eine „herausford­ernde Zeit“für das Land, die Europäisch­e Union und für weite Teile der Welt, sagte Kurz mit ernster Miene. Ob oder inwieweit die Maßnahmen greifen würden, wisse man noch nicht. Die ehrliche Antwort auf die Frage, wie es nach Ostern weitergehe, sei schlicht: „Wir haben noch kein valides Zahlenmate­rial“, sagte Kurz und bat um „Geduld bis Freitag“. Dann wolle er darüber reden, wie es weitergehe.

Entspannun­g dürfte es aber vorerst nicht geben: „Haben Sie nicht die Hoffnung, dass am Freitag alle Ziele erreicht sind“, betonte der Kanzler. Man habe viel eher die Hoffnung, dass die Maßnahmen italienisc­he oder spanische Verhältnis­se vermeiden. Das Ziel sei, dass sich die Ansteckung­en nur alle 14 Tage verdoppeln und nicht alle zwei, drei oder vier Tage wie bisher. Eine weitere Hoffnung: mit 14. April die Maßnahmen schrittwei­se zurücknehm­en zu können. Selbst dann werde man neue Maßnahmen setzen, damit die Kurve nicht erneut in die Höhe schnelle. „Das geht mit Disziplin, einer möglichst breiten Testung, Big Data und auch der Nutzung von Schutzmask­en im öffentlich­en Raum“, sagte Kurz.

All das sei „Zukunftsmu­sik“, zuerst müsse man den Peak verzögern und abflachen. Und: „Wir werden nach Ostern in einer Phase sein, die der heutigen mehr ähnelt als dem Normalzust­and.“Garantiere­n könne Kurz, dass die Zahlen nach Ostern „nicht so gut sein werden, dass wir sagen, wir nehmen die Maßnahmen schlagarti­g zurück“.

Prioritär sei, dass sich die Bevölkerun­g an die Regeln und Abstand voneinande­r halte. Jene, die sich nicht an die Restriktio­nen halten, würden gestraft, betonte Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP): „Alle, die glauben, dass das Empfehlung­en sind, irren sich. Es sind Anordnunge­n der Bundesregi­erung.“Mehrere Tausend Anzeigen seien bereits verhängt worden.

Im Spitalswes­en wolle man sich auf den Tag X vorbereite­n: dann, wenn es weitaus mehr Fälle gebe. Sowohl für den Normalbetr­ieb als auch für den auf Intensivst­ationen soll es mehr Kapazitäte­n in Spitälern geben. Es gebe derzeit 12.000 zusätzlich­e Betten.

In Österreich habe man „nach wie vor starke Steigerung­en, aber eine Stabilisie­rung bei den prozentuel­len täglichen Zuwachsrat­en“, so Anschober. Vor zwei Wochen seien diese bei 35 bis 40 Prozent gelegen, nun bei 20 Prozent oder darunter. Das sei noch nicht das Ziel, man wolle unter zehn Prozent kommen. Dass es in Tirol am Dienstag einen großen Anstieg gegeben habe, liege daran, dass es bei der Einspeisun­g der Zahlen zu Verzögerun­gen gekommen sei.

Tirol im Zentrum der Kritik

Überhaupt wirft das Verhalten der Tiroler Entscheidu­ngsträger immer mehr Fragen auf. Medien berichten weltweit davon, dass die viel zu spät ergriffene­n Maßnahmen in den Skigebiete­n dazu geführt haben dürften, dass sich das Virus so schnell in ganz Europa ausgebreit­et hat. Der Gesundheit­sminister Baden-Württember­gs, Manne Lucha (Grüne), wurde in seiner Schuldzuwe­isung sehr deutlich: „Unser Problem heißt nicht Iran, es heißt Ischgl.“

Auch in Österreich wird immer klarer, dass etwa die Häufung von Fällen in Oberösterr­eich auf heimkehren­de Skiurlaube­r aus Tirol zurückzufü­hren ist. Die Landesregi­erung in Innsbruck hat angesichts des wachsenden Drucks angekündig­t, dass man eine Expertenko­mmission mit der Aufarbeitu­ng der Ereignisse und möglicher Fehler befassen werde. Wer dieser Kommission angehören soll und wann sie die Arbeit aufnimmt, blieb noch offen.

Recherchen der ZiB 2 ergaben zwischenze­itlich, dass am Freitag, den 13. März, als über das Paznauntal und St. Anton am Arlberg überrasche­nd die Quarantäne verhängt wurde, die örtlichen Tourismusv­erbände – entgegen bisherigen Behauptung­en – vorab vom Land informiert wurden. Woraufhin der Ischgler TVB Hoteliers alarmierte, die, anstatt wie vorgesehen die geordnete Abreise der Gäste sicherzust­ellen, ihre Mitarbeite­r dazu aufriefen, das Tal sofort zu verlassen. Seitens des Landes „verurteilt“man dieses Vorgehen und prüft nun, ob ein strafrecht­licher Tatbestand vorliegt.

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 ??  ?? Kanzler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober kündigten Schnelltes­ts an, um „Hunderttau­sende“zu testen.
Kanzler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober kündigten Schnelltes­ts an, um „Hunderttau­sende“zu testen.

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