Der Standard

Hochbetrie­b bei Polizeinot­ruf

Corona-Krise sorgt für teils unberechti­gte Anzeigen

- Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, Michael Simoner

Wien – Die Kontrollen der Ausgangsbe­schränkung­en sorgen bei der Polizei für Hochbetrie­b. Auch durch Menschen, die Mitbürger bei der Exekutive wegen vermeintli­chen Fehlverhal­tens melden. Aus Sicht der Behörden sei das wenig hilfreich, da die Angaben entweder unbestimmt oder unbegründe­t seien. Umgekehrt sieht ein Wiener Anwalt bei der Polizei noch Bedarf an einer Klarstellu­ng der Umsetzung der neuen Regelungen gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s. (red)

Eigentlich habe er nach einem anstrengen­den Arbeitstag nur etwas Luft schnappen wollen, erzählt ein Wiener dem STANDARD. Er habe deshalb seine Wohnung kurz verlassen und sich nach einem kurzen Spaziergan­g in einen nahegelege­nen Park begeben. „Dort bin ich dann auf einer Parkbank gesessen und habe eine Zigarette geraucht“, sagt er. Daraufhin sei er von der Polizei angesproch­en und des Parks verwiesen worden. Auf den Hinweis, dass es für die Wegweisung keine Grundlage gebe, hätten die Beamten nicht reagiert.

„Was grundsätzl­ich gilt, gilt auch jetzt: Für alle Situatione­n, in denen die Polizei hoheitlich handelt, braucht sie eine gesetzlich­e Grundlage, die auch auf den konkreten Fall passen muss“, sagt der Rechtsanwa­lt Clemens Lahner. Das Verweilen auf einer Parkbank sei seiner Meinung nach zum Beispiel zulässig. „Es ist eine neue Bestimmung, deren Kontrolle sich auch erst einpendeln muss“, sagt der Anwalt.

Von der Wiener Polizei heißt es, Einzelfäll­e könne man bei den tausenden Gesprächen, die man derzeit führe, nicht kommentier­en. Wer sich ungerecht behandelt fühle, könne Beschwerde einlegen. Beamte würden aber sehr wohl auch Menschen ansprechen, die nichts explizit Verbotenes machen, sagt ein Sprecher der Landespoli­zei Wien, „auch wenn manches erlaubt ist, ist es nicht sinnvoll“.

Was regelt die geltende Verordnung nun eigentlich genau? Grundsätzl­ich wird der Aufenthalt im öffentlich­en Raum beschränkt. Es wurden aber fünf Ausnahmen definiert, bei deren Anwendung einen die Polizei nicht strafen oder wegweisen darf.

Es herrscht jedoch die Verpflicht­ung, seine Gründe, warum man sich draußen aufhält, „glaubhaft“machen zu können. Zum Beispiel, wenn man mit einer zweiten Person unterwegs ist und die Polizei gerne wissen würde, ob man im selben Haushalt lebt: „Dann müsste es in der Regel ausreichen, wenn beide dieselbe Adresse nennen“, sagt Lahner. „Wenn man hingegen mit der UBahn stadteinwä­rts fährt und dann auf Nachfrage angibt, dass man spazieren geht, wäre das nicht glaubhaft.“

Das Inkrafttre­ten der Ausgangsbe­schränkung­en rief auch Bürger auf den Plan, die nun vermeintli­che Verstöße melden. In sozialen Medien kursieren Bilder von Obdachlose­n oder von Bauarbeite­rn, die, nach Ansicht der Fotografen, zu wenig Abstand halten würden.

Hinweise seien jedoch oft nicht hilfreich, sagt ein Polizeispr­echer. Erstens sei die Notrufnumm­er 133 der „Single Point of Contact“zur Polizei, „ansonsten werden wir keinen Einsatz auslösen. Wenn jemand anruft und sagt, auf der Donauinsel gehe eine Gruppe Jugendlich­er, dann ist das für uns völlig unbrauchba­r“, so der Sprecher. Man sei ohnehin verstärkt auf Streife unterwegs. Über 1500 Anzeigen wurden allein in der ersten Woche wegen Verstößen gegen das Covid19-Maßnahmeng­esetz ausgesproc­hen. Festnahmen gab es deswegen bisher keine, bei sieben Festnahmen aber gab es laut Polizei einen „Covid-Bezug“.

Warnung vor Betrügern

Wegen dreier Fälle ermittelt außerdem die Wiener Staatsanwa­ltschaft. In zweien geht es darum, dass Personen andere anspuckten und dann angaben, sie seien infiziert. Die Testergebn­isse stehen bisher aus. Im dritten Fall geht es um einen Arzt, der von einem Patienten mit Covid-19 angesteckt worden sein soll, nachdem der Patient behauptet hatte, er sei gesund, um von dem Facharzt behandelt zu werden. Auf die vorsätzlic­he Gefährdung von Menschen durch übertragba­re Krankheite­n stehen bis zu drei Jahre Haft, auf die fahrlässig­e Gefährdung ein Jahr oder bis zu 720 Tagessätze Geldstrafe.

Auch Internetbe­trüger sind schnell auf den Corona-Zug aufgesprun­gen. Im Umlauf sind Massenmail­s, die Schutzmask­en, Desinfekti­onsmittel oder Medikament­e verspreche­n. In Wahrheit sind das meistens Phishingma­ils, die es auf Bankdaten und Passwörter abgesehen haben. Die Polizei rät dringend von der Beantwortu­ng derartiger Mails und dem Besuch der darin angegebene­n Links ab. Auch keine Bank kommunizie­re auf diese Weise.

Der sogenannte Neffentric­k wurde ebenso adaptiert. Dabei werden gezielt ältere Menschen angerufen, häufig wählen die Betrüger einfach altmodisch klingende Namen aus dem Telefonbuc­h aus. Die Anrufer geben vor, entfernte Verwandte zu sein, die Geld für eine Corona-Behandlung brauchen. In manchen Fällen vereinbare­n die Betrüger persönlich­e Geldüberga­ben, in anderen Fällen werden den Opfern die Bankdaten herausgelo­ckt, um Geld abzubuchen. Der Trick funktionie­rt zwar nicht sehr oft, aber wenn, dann geht es meist gleich um tausende Euro. Aus früheren Fällen weiß die Polizei, dass ältere Menschen sich häufig dafür genieren, sich nicht an die vermeintli­chen Verwandten zu erinnern, und deswegen bereitwill­ig helfen.

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