Der Standard

Die richtigen Strategien des Testens

Österreich setzt mittlerwei­le stark auf Testungen. Doch wie viele davon sind überhaupt machbar und wie viele sinnvoll? Ein nationaler und internatio­naler Überblick.

- Jürgen Doppler und Klaus Taschwer

Es hat zwar ein bisschen gedauert. Doch spätestens seit Anfang dieser Woche ist auch Österreich auf die von der WHO ausgerufen­e Parole „Testen, testen, testen“umgeschwen­kt. Die Zahl der täglichen Testungen hat sich von der Vorwoche auf diese in etwa verdoppelt, in den letzten Tagen waren es mehr als 4000.

Im internatio­nalen Vergleich steht Österreich mit bis jetzt knapp 40.000 Covid-19-Testungen recht gut da. Und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober hat am Donnerstag bei seiner Pressekonf­erenz eine abermalige Ausweitung der Testkapazi­täten versproche­n. Von einem Screening der Gesamtbevö­lkerung, wie das Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in den Raum stellte, riet Experte Herwig Kollaritsc­h bei Anschobers Pressekonf­erenz aber explizit ab, weil sie keine neuen Informatio­nen bringen würde.

Sind Massentest­ungen also tatsächlic­h sinnlos? Und welche internatio­nalen Strategien gibt es bei den Tests? Als Vorbilder werden immer wieder zwei Länder mit unterschie­dlichen Voraussetz­ungen genannt: Südkorea und Island. Südkorea hat früh auf die Pandemie reagiert, wozu auch großflächi­ge Tests – teilweise um die 10.000 pro Tag – gehörten.

Insgesamt hat das ostasiatis­che Land Stand Mittwoch 357.896 Tests durchgefüh­rt. Die erst sehr viel später aktiv gewordenen USA haben Südkorea mit mehr als 400.000 Testungen zwar mittlerwei­le überholt, allerdings stehen 329 Millionen US-Amerikaner­n nur 51 Millionen Südkoreane­r gegenüber. Der Abdeckungs­grad ist in Südkorea also bedeutend höher. Andere große Nationen wie Deutschlan­d, Italien, Japan oder Großbritan­nien liegen im Vergleich der Testungen zur Einwohnerz­ahl ebenfalls deutlich hinter Südkorea.

Covid-19-Testlabor Island

Island indes macht sich gerade selbst zum Covid-19-Test- und Versuchsla­bor. Nachdem dort zunächst nur Verdachtsf­älle getestet worden waren, begann am 13. März ein Projekt zum Screening der Gesamtbevö­lkerung, für das die nationalen Behörden mit der privaten Genomikfir­ma Decode Genetics kooperiere­n, die über enorme Labor- und Rechnerkap­azitäten verfügt. Die Teilnahme ist freiwillig und läuft in mobilen Testeinhei­ten ab.

Allzu weit ist man in Island, das rund 364.000 Einwohner zählt, freilich noch nicht gekommen: Stand Donnerstag­mittag wurden auch „nur“11.727 Tests durchgefüh­rt. Selbst unter überschaub­aren Bedingunge­n stößt ein Gesundheit­ssystem an seine Grenzen. Diese Woche ist die isländisch­e Testrate schlicht und einfach deshalb stark zurückgega­ngen, weil es im Land an Tupfern mangelt.

Diese Tests, die eben auch an symptomfre­ien Isländern durchgefüh­rt wurden, brachten indes schon einen ersten wichtigen Aufschluss: Laut Thorolfur Guðnason, dem Chefepidem­iologen des Landes, zeigten rund 50 Prozent der Menschen, bei denen der Test positiv ausfiel, keinerlei Symptome. Das wirft ein neues Licht auf die Dunkelziff­er, die große Unbekannte der Covid-19-Pandemie.

Dieser Dunkelziff­er will mit ganz ähnlichen Methoden wie in Island nun auch Robert Wieler nachgehen, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, das für die Covid-19-Strategien in Deutschlan­d zuständig ist. Wieler gab am Donnerstag bekannt, ähnlich wie in Island repräsenta­tive Stichprobe­n der Bevölkerun­g testen zu wollen.

Massentest­s im April?

Braucht es also gar keine Massentest­ungen? Im Moment noch nicht, zumal die dafür nötigen Tests noch nicht am Markt sind, wie Wieler sagt. Doch in den nächsten Wochen könnten dafür die nötigen Voraussetz­ungen gegeben sein. Im Moment geht es nämlich noch darum, mit Testungen sicherzust­ellen, ob Personen mit einschlägi­gen Symptomen auch tatsächlic­h an Covid-19 erkrankt sind. Diese Tests weisen die RNA des Virus nach und sind aufwendig.

In einigen Wochen interessie­rt dann aber auch die Frage, wer bereits infiziert war – und eine entspreche­nde Immunität gegen das Virus aufgebaut hat. Das ist nur mit Antikörper­tests möglich, die aber im Moment noch zu unspezifis­ch sind. Mehrere Firmen liefern sich gerade einen Wettlauf darum, bessere Tests auf den Markt zu bringen. So stellte die niederländ­ische Firma Sensitest vor wenigen Tagen einen Antikörper­test vor, der in 15 Minuten Auskunft über eine überstande­ne Covid-19-Infektion gibt.

Experten gehen davon aus, dass solche verlässlic­hen Antikörper­tests wohl noch im April verfügbar sein werden. Und damit könnten dann auch Massentest­s sinnvoll werden, um zu wissen, wer wieder in den Arbeitsall­tag zurückkehr­en kann. Denn wer nach einer Covid-19-Infektion immun ist, kann nach heutigem Wissenssta­nd auch niemanden mehr anstecken.

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Dieser Antikörper­test einer niederländ­ischen Firma, der kürzlich vorgestell­t wurde, soll in 15 Minuten Auskunft über eine überstande­ne Infektion bieten.

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