Mit kühler Wissenschaft Hoffnung geben
Wäre Ignoranz so ansteckend wie das Coronavirus, das letzte Stündlein des Anthony Fauci hätte wohl längst geschlagen: Denn einen Mindestabstand zu dessen gefährlichstem Überträger kann Amerikas oberster Immunologe dieser Tage schließlich schon von Berufs wegen nicht einhalten – will er aber auch gar nicht.
Schließlich muss Fauci, der drahtige 79-Jährige mit dem grauen Bürstenhaarschnitt, in Zeiten von Corona Tag für Tag auf offener Bühne neben seinem obersten Chef den Spielverderber geben. Regelmäßig fährt „Toni“, wie Donald Trump ihn nennt, diesem dann auch in die Parade, wenn der US-Präsident es wieder einmal besser zu wissen meint als all die Experten, die seit Monaten vor dem Coronavirus warnen.
So beunruhigend die zwar wissenschaftlich stets fundierten, gleichwohl aber auch für Laien verständlichen Auskünfte des Immunologen zum Coronavirus auch sind: Kritiker des Präsidenten feiern Fauci, den Apothekersohn aus Brooklyn, als Stimme der Vernunft. Während Trump von vollen Kirchen zu Ostern schwadroniert, sagt Fauci massenhaftes Sterben voraus, sollten die USA sich nicht an die Empfehlungen von Experten halten. Und wenn der ehemalige Immobilientycoon von einem Malaria-Mittel schwärmt, das vielleicht ja auch gegen Covid-19 wirke, sieht man Fauci an, wie sehr ihm derlei Unsinn gegen den Strich geht.
Freilich macht er sich mit seiner unverblümten Art nicht nur Freunde. Trump, an Widerrede nicht gewöhnt, verbannte seinen ranghöchsten Fachmann einige Tage lang kurzerhand vom Podium seiner Corona-Briefings. Auf politisches Klein-Klein lässt sich Fauci – der in seiner langen Karriere am Nationalen Gesundheitsinstitut (NIH) schon sechs verschiedenen Präsidenten diente und in den 1980er-Jahren federführend an der Bekämpfung der AidsEpidemie beteiligt war – jedoch auch angesichts solcher Volten nicht ein. „Ich habe einen wissenschaftlichen Standpunkt eingenommen, der Präsident wollte den Menschen Hoffnung geben“, erklärte er seine Absenz so diplomatisch wie vielsagend.
Doch genau das gelingt Fauci, dem passionierten Läufer, der seit der Corona-Krise laut eigenem Bekunden statt zwölf nur mehr sechs Kilometer täglich joggt, in den Augen vieler Amerikaner besser als dem Präsidenten. Der Vater dreier Töchter wird wohl noch länger mit fünf Stunden Schlaf pro Nacht auskommen müssen.