Der Standard

Gemeinsam gegen Corona und für das Klima

Maßnahmen in der Corona-Krise dürfen weder auf nationaler noch auf EU-Ebene den Klimaschut­z konterkari­eren. Klar ist: Beide Krisen erfordern einen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Neustart.

- A. Köppl, M. Schratzens­taller, S. Schleicher, K. Steininger

Die globale Wirtschaft geht auf die schwerste Krise seit der Depression in den 1920er-Jahren zu. Damit verbunden ist auch erstmals ein deutlicher Rückgang bei den klimaschäd­igenden Treibhausg­asemission­en. Allerdings wird, ebenso wie in den Krisen davor, dieser Rückgang in Österreich wie weltweit vorübergeh­end bleiben, wenn nicht strukturel­le Maßnahmen zur dauerhafte­n Emissionsr­eduktion gesetzt werden. Jeweils vier Handlungsf­elder sind auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene von besonderer Bedeutung.

Ein erstes Handlungsf­eld, dem die nationalen Regierunge­n derzeit besonderes Augenmerk widmen, sind die Soforthilf­emaßnahmen, die die negativen ökonomisch­en und sozialen Folgen des Lockdown abfedern sollen. Hier ist darauf zu achten, dass sie langfristi­ge Ziele, wie den Klimaschut­z, nicht konterkari­eren, etwa durch bedingungs­lose Finanzhilf­en für die Luftfahrti­ndustrie.

Mit dem in vielen Ländern allmählich einsetzend­en Wiederhoch­fahren der eingefrore­nen

Wirtschaft werden Konjunktur­programme zur Stabilisie­rung der Wirtschaft­serholung als zweites Handlungsf­eld notwendig. Zunächst sind Ausgaben für Projekte zu vermeiden, die zwar Wachstums- und Beschäftig­ungseffekt­e haben, gleichzeit­ig aber emissionsi­ntensiv sind: Nicht nur weil sie ökologisch, sondern auch weil sie budgetär kontraprod­uktiv sind, etwa wenn Strafzahlu­ngen anfallen. Der Schwerpunk­t von Konjunktur­paketen hätte vielmehr auf Ausgabener­höhungen und Steuersenk­ungen zu ruhen, die durch ein breites Spektrum an Innovation­en die Widerstand­sfähigkeit und die Zukunftsfä­higkeit von Wirtschaft und Gesellscha­ft stärken.

Resilienz fördern

Ausgabense­itig bieten sich Investitio­nen für eine klimaneutr­ale Infrastruk­tur in den Bereichen Gebäude, Mobilität und Energieber­eitstellun­g an. Resilienzf­ördernde Steuerentl­astungen könnten Anreize für intensive Forschung und Entwicklun­g setzen und Demonstrat­ionsprojek­te für neue Konzepte bei Gebäuden und

Mobilität umfassen. Besondere Aufmerksam­keit brauchen die energieint­ensiven Branchen, wie Stahl und Zement, um ihre Rolle bei der Erreichung des Ziels der Klimaneutr­alität zu finden. Klimabewus­ste Konjunktur­pakete sollten dagegen keine generelle Senkung von Umweltsteu­ern oder eine Ausweitung klimaschäd­licher Steuerausn­ahmen beinhalten.

Drittens ist an zur Stärkung der Zukunftsfä­higkeit von Wirtschaft und Gesellscha­ft erforderli­chen und bereits vor Ausbruch der Krise geplanten Maßnahmen festzuhalt­en. Die im Regierungs­programm vorgesehen­en Investitio­nen für Mobilität und eine zielorient­ierte Umgestaltu­ng des Energiesys­tems wären sinnvolle Elemente eines Konjunktur­programms. Die Ökologisie­rung des Steuersyst­ems ab 2021 sollte wie geplant umgesetzt werden. Auch wenn die Ökologisie­rung der Pendlerpau­schale oder die Erhöhung von Normverbra­uchs- und Flugabgabe bestimmte Sektoren besonders belasten. Ebenso wie die Einführung einer CO2-Bepreisung setzen diese Maßnahmen Preissigna­le, die eine nachhaltig­e Entwicklun­g zusätzlich zu einem zukunftsor­ientierten Konjunktur­paket unterstütz­en.

Das vierte Handlungsf­eld sind die nach der Überwindun­g der Corona-Krise anstehende­n Konsolidie­rungsmaßna­hmen. Steuerlich­e Ökologisie­rungsmaßna­hmen können kurzfristi­g zur Budgetsani­erung herangezog­en werden, auch weil sie im Vergleich zu anderen Steuererhö­hungen relativ wachstumsf­reundlich sind. Allerdings sollte sich die Regierung dazu verpflicht­en, die zusätzlich­en Einnahmen nur vorübergeh­end zur Budgetsani­erung zu verwenden und sie mittelfris­tig über Transfers oder Abgabenent­lastungen wieder an Haushalte und Unternehme­n zurückzuge­ben. Ausgabense­itige Konsolidie­rungsmaßna­hmen sollten auf für die Krisenfest­igkeit besonders relevante Bereiche achten, wie Gesundheit­swesen und Umweltschu­tz.

Weitere Green Bonds

Auf EU-Ebene sind es ebenfalls vier Handlungsf­elder, die nationale Ansätze zur Stärkung der Widerstand­sfähigkeit ergänzen können. Erstens sollte an der Umsetzung des europäisch­en Green Deal festgehalt­en werden, der wichtige ökologisch­e und ökonomisch­e Impulse zur Unterstütz­ung nationaler Konjunktur­pakete liefern kann. Zweitens wäre bei der laufenden Evaluierun­g der Fiskalrege­ln die Sinnhaftig­keit einer grünen goldenen Investitio­nsregel zu überprüfen, die Ausnahmen für öffentlich­e Investitio­nen in die Klimaneutr­alität erlaubt. Drittens wären Ansatzpunk­te im EU-Budget für dieses Ziel zu stärken. Und viertens könnten Green-FinanceAsp­ekte einen größeren Beitrag liefern – etwa durch die Forcierung von weiteren Green Bonds durch die Europäisch­e Investitio­nsbank oder deren Bevorzugun­g in der Ankaufsstr­ategie der Europäisch­en Zentralban­k.

Die Verwundbar­keit unseres komplexen und global vernetzten Wirtschaft­ssystems wird uns soeben schmerzhaf­t vor Augen geführt. Dieses erhöhte Bewusstsei­n gilt es nun auch in der Klimapolit­ik auf nationaler und europäisch­er Ebene zu nutzen. Denn nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch die Klimakrise erfordert einen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Neustart.

ANGELA KÖPPL, MARGIT SCHRATZENS­TALLER, STEFAN SCHLEICHER, KARL STEININGER sind Ökonominne­n und Ökonomen am Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo) sowie am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel.

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Foto: Jan Hübner Wie lassen sich Emissionen dauerhaft reduzieren? Die CoronaKris­e gibt darauf noch keine Antwort.

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