Der Standard

Eine Lunge, die Beatmungsg­eräte testet

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Richard Paštěka entwickelt einen elektromec­hanischen Lungensimu­lator.

Von umgebauten Taucheraus­rüstungen bis zu zweckentfr­emdeten Produktion­sstraßen: Die Corona-Krise hat viele Ideen hervorgebr­acht, wie man schnell an dringend benötigte Beatmungsg­eräte kommen könnte. All diese Konzepte auf ihre Sicherheit für Patienten zu testen – das könnte ein Anwendungs­fall des elektromec­hanischen Lungensimu­lators werden, der in einem Projekt der FH Technikum Wien entwickelt wird.

Richard Paštěka ist bereits seit fünf Jahren an der Entwicklun­g des Geräts beteiligt. Schon als Masterstud­ent am Department of Biomedical Engineerin­g der Brno University of Technology in Tschechien stieß er auf das Thema, dem er auch sein aktuelles Ph.D.-Studium widmet – und das ihn an die Wiener FH führte, wo er nun auch Lektor ist. Die Sache läuft gut: 2019 stellte er mit Kollegen den Lungensimu­lator im renommiert­en Fachjourna­l Scientific Reports vor. Im Moment arbeiten die Forscher an einem Paper, das den Einsatz des Geräts für Tests von Beatmungsg­eräten in Corona-Zeiten beschreibt. Neben dieser Anwendung ist die Anlage etwa für die Erforschun­g der Interaktio­n der Lunge mit eingeatmet­en Aerosolen geeignet – etwa bei der Nutzung von Inhalatore­n gegen Asthma.

„Wir haben ein System aus elektromec­hanischen Komponente­n entworfen, die zusammenar­beiten, um das menschlich­e Atmungssys­tem so genau wie möglich zu simulieren“, sagt Paštěka. Der Prozess laufe genauso wie im menschlich­en Körper ab: Wie die Atemmuskul­atur den Brustkorb dehnt und einengt und dabei Unterdruck erzeugt, sorgt das Auf und Ab eines speziell entwickelt­en Blasebalgs für die richtigen Druckverän­derungen. Mit Kollegen aus Portugal wird daran gearbeitet, realistisc­hes menschlich­es Atemverhal­ten in einem Algorithmu­s abzubilden, der die Maschine steuert.

Als Lunge selbst kann in der Maschine ein Ersatz aus Latex genutzt werden. Aber – und das ist laut Paštěka bisher einzigarti­g – es können auch andere Lungenäqui­valente, die dem menschlich­en Organ im Detail viel näherkomme­n, zum Einsatz kommen: etwa die Lunge von Schweinen – in der Medizin ein häufig genutztes Übungsorga­n. „Wir streben nach einer anatomisch und physiologi­sch realistisc­hen Atemsimula­tion. Die Nutzung einer natürliche­n Lunge hilft uns dabei“, sagt Paštěka. Er betont, dass die Schweinelu­ngen für die Experiment­e von Tieren in Schlachthö­fen kommen. Kein Tier soll nur für das Gerät getötet werden.

Der 1991 geborene und in einem Dorf nahe Zlín in Tschechien unweit der Grenze zu Österreich aufgewachs­ene Paštěka war „schon immer von der Komplexitä­t des menschlich­en Körpers fasziniert“, wie er sagt. „Medizin interessie­rte mich, aber eher aus technische­r Perspektiv­e.“Durch Zufall entdeckte er, dass es mit Biomedical Engineerin­g ein zu diesem Interesse passendes Studium gab. Abseits der vielen Stunden, die er heute im Labor, Lehrsaal und vor Computern verbringt, zieht es den Forscher in die Abgeschied­enheit der Natur, egal ob für eine schnelle Wanderung von Wien aus oder große Sommertour­en nach Schottland und Georgien. Die „wildesten“Reiseerfah­rungen fanden für Paštěka aber nicht in der Wildnis, sondern auf dem Weg dorthin statt, Stichwort: Taxifahrt auf georgische­n Bergstraße­n. (pum)

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