In Berlin munkelt man über eine fünfte Amtszeit von Angela Merkel
Der Wunsch nach Merkels fünfter Amtszeit ist nachvollziehbar, greift aber zu kurz
Im Jahr 2021 ist Schluss. Bei der nächsten Bundestagswahl will Angela Merkel nicht mehr als Spitzenkandidatin der Union antreten. So lautet der offizielle Stand in Berlin. Entschieden und verkündet hat Merkel dies selbst im Herbst 2018 nach einer Serie von Wahlniederlagen für die Union. CDU-Chefin ist sie ja seit Dezember 2018 nicht mehr.
Doch angesichts der gewaltigen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in der Corona-Krise wird immer häufiger spekuliert, dass die 65-Jährige doch noch eine fünfte Amtszeit anhängen könnte – oder sollte.
Befeuert hat diese Debatte ausgerechnet Innenminister Horst Seehofer (CSU), der mit der Kanzlerin schon so manchen Strauß ausgefochten hat und in der Flüchtlingskrise einer ihrer allerschärfsten Kritiker war. Nun sagt er: „Wir können froh sein, dass wir in dieser Situation eine solche Kanzlerin an der Spitze unseres Landes haben. Sie führt Deutschland gerade sehr stark durch die Krise.“Angesprochen auf eine weitere Amtszeit für Merkel, sagte Seehofer, dass er „den Gedanken in letzter Zeit öfter gehört habe“.
Merkel hatte 2005 Gerhard Schröder (SPD) als Kanzler abgelöst. Zunächst regierte sie bis 2009 mit einer großen Koalition, dann bis 2013 mit der FDP. Von 2013 bis 2017 bildete sie erneut mit der SDP eine „Groko“, eine solche ist auch seit 2017 am Ruder. (bau)
Merkel muss weg! Es gab Zeiten, da schallte dieser Ruf der deutschen Kanzlerin jeden Tag entgegen. Die Deutschen schienen sie einfach sattzuhaben und sich nach Abwechslung zu sehnen.
Natürlich gibt es jetzt auch einige, die sie am liebsten schon im Ruhestand sehen würden. Aber im Großen und Ganzen herrscht in Deutschland das Motto: Gut, dass Merkel jetzt, in der großen Krise, immer noch da ist.
Kein Wunder, dass so mancher schon darüber sinniert, ob sie nicht auch noch ein wenig bleiben könnte, nämlich über die Bundestagswahl 2021 hinaus. Das wäre dann Merkels fünfte Amtszeit.
Aus heutiger Sicht spricht einiges dafür: Merkel, die vor wenigen Monaten noch als Lame Duck galt, ist beliebter denn je. Sie hält in der Corona-Krise die Fäden zusammen, und die Deutschen sind auch mit ihrem Krisenmanagement zufrieden.
Zudem weiß man immer noch nicht, wer eigentlich nach ihr kommen könnte. Der CDU-Parteitag, der nicht nur einen neuen Chef, sondern auch mehr Klarheit über die Nachfolge hätte bringen sollen, ging im Corona-Chaos verloren. Erst im Dezember werden sich Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen matchen, und der Sieger wird dann vielleicht mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur rittern.
Bis dahin wird Merkel auf jeden Fall gebraucht. Und es gibt ja auch in Europa noch Gewaltiges zu leisten. Dass sie – gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron – dazu bereit ist, demonstriert sie mit dem Wiederaufbauplan von Berlin und Paris, dessen Umsetzung noch viel Kraft und auch Zeit kosten wird. Zudem bedarf es der politischen Erfahrung. Wer in Europa könnte mehr davon vorweisen D als Merkel? och der Wunsch, Merkel möge es in Deutschland und auch in Europa immer und immer weiter richten, entspringt der aktuellen Ausnahmesituation. In dieser gelten andere Maßstäbe. Die Kanzlerin, die schon in Richtung Abenddämmerung unterwegs war, steht plötzlich wieder im Rampenlicht.
Irgendwann, hoffentlich früher als später, wird sich aber die Lage wieder normalisieren. Dann wird auch Merkel zu Recht wieder kritischer gesehen werden und sich so mancher, der jetzt noch Fan ist, fragen: Merkel auf ewig? Nein, danke ...
Vielleicht werden da auch in der Union Erinnerungen an das Jahr 1998 wach. Helmut Kohl war damals Kanzler, man war ihm immer noch sehr dankbar für die deutsche Einheit. Kohl wollte dieses Wohlwollen für sein Lebenswerk nutzen und trat noch einmal als Kanzlerkandidat an, obwohl Wolfgang Schäuble schon lange als Kronprinz bereitstand.
Doch der unbelehrbare Kohl überschätzte sich, Gerhard Schröder (SPD) siegte und warf den Amtsinhaber aus dem Amt. Dieses Schicksal könnte auch Merkel drohen, wenn sie sich tatsächlich entschließen sollte, noch einmal anzutreten. Eine der Voraussetzungen allerdings wäre, dass es einen ebenso starken Gegenkandidaten gibt wie 1998 mit Gerhard Schröder. Das wäre bis vor kurzem Grünen-Chef Robert Habeck gewesen, aber so, wie Merkel von der Corona-Krise profitiert, leidet er unter ungewohntem Desinteresse an seiner Person.
Auch das kann sich wieder ändern, wenn in der Post-Corona-Krisen-Zeit der Wunsch nach Wechsel lauter wird. Dann ist Merkel sicher nicht mehr das, was sie jetzt ist: alternativlos.