EU will mit Subventionen klotzen
Österreich und die „Sparsamen Vier“bremsen beim Wiederaufbaufonds. Nach ihrer Vorstellung soll es nur kurzfristige Kredite geben. Am Mittwoch stellt die EU-Kommission ihren Plan vor. Sie setzt auf Subventionen.
Eine „wichtige Woche“nennt Martin Selmayr die gerade angebrochene 22. Kalenderwoche 2020. Denn – auch das sind Worte des Leiters der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, ein „historischer Moment steht bevor“. Am Mittwoch stellt die EU-Kommission nämlich ihre Pläne für den Wiederaufbau Europas nach der Corona-Krise vor. Auch wenn der Plan noch nicht bis ins kleinste Detail bekannt ist, zeigen seine Eckpunkte, dass Brüssel so richtig zu klotzen gedenkt. 500 Milliarden sollen für den sogenannten Wiederaufbaufonds über Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden. Das Geld soll zusätzlich in den EU-Haushalt fließen. Entsprechend soll der Wiederaufbautopf verwendet werden, wie Mittel aus dem EU-Budget auch sonst verwendet werden: zu einem großen Teil für Subventionen.
Allerdings nicht nur. Auch Kredite sind vorgesehen. Das genaue Verhältnis von Subventionen und Krediten – 60 zu 40 Prozent oder 70 zu 30 Prozent – sei noch zu klären, sagte Selmayr. Damit ist ein Streit im Europäischen Rat wohl vorbestimmt. Denn wenn Mitte Juni die EU-Regierungschefs über den Wiederaufbauplan der Kommission beraten, gibt es mindestens vier EU-Mitglieder, die Subventionen dezidiert ablehnen. Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden hatten am Wochenende auf zwei Jahre befristete und rückzahlbare Notkredite für die EU-Wiederaufbauhilfen verlangt.
Schuldenunion?
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat seine ablehnende Haltung gegenüber Subventionen auch damit begründet, dass man keine Schuldenunion über die Hintertür wolle. Doch besteht diese Gefahr überhaupt?
Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des Europäischen Parlaments, hält die Befürchtung für unbegründet. Weder die Kommission noch das Parlament würden eine Schuldenunion wollen.
Schon allein deshalb nicht, weil Schritte zur Einführung einer Schuldenunion vertragswidrig wären. Auch Kommissionsvertreter Selmayr gibt Entwarnung: Die Kommission werde keine Schuldenunion vorschlagen.
Die EU-Kommission wird am Mittwoch nicht nur einen Plan für den Wiederaufbau, sondern auch einen EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 vorschlagen. Dabei strebe man eine Größenordnung der Diskussion vom Februar an, sagte Selmayr. Damals hatte ein Budgetentwurf von EU-Ratspräsident Charles Michel in Höhe von 1,074 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung oder knapp 1095 Milliarden Euro nicht die Zustimmung der EU-Staaten bekommen.
Die zusätzlichen Mittel für den Wiederaufbaufonds sollen laut Vorstellung der Kommission über vier Kanäle an die EU-Mitgliedsstaaten laufen. Rund die Hälfte sei für ein „Recovery Instrument“vorgesehen, das Reformen zur Stärkung von Leitungs- und Widerstandsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten unterstützt. Dies sei jener Posten, der früher als Eurozonenbudget diskutiert, dann aber ins gesamte EU-Budget integriert worden sei. Die andere Hälfte der EU-Wiederaufbauhilfen soll sich auf die EU-Kohäsionshilfen, auf den neuen „Just Transition Fund“zur Finanzierung eines CO -armen Klimaübergangs sowie auf das Programm „Invest EU“, den früheren Juncker-Fonds, mit dem private Investoren angezogen werden sollen, verteilen.
Um Anleihen zu begeben, braucht die EU auch Einnahmequellen. Deshalb wird Brüssel am Mittwoch entsprechende Vorschläge machen: Selmayr sprach etwa von einer Digitalsteuer, einer CO2-Abgabe, einer Plastiksteuer und einer Binnenmarktabgabe für große Unternehmen. Diese Eigenmittel sollen über den Finanzrahmen 2021–2027 hinausreichen.
Der Plan ist federführend vom österreichischen Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) und in Akkord mit allen europäischen Regierungen ausgearbeitet worden, so Selmayr. Beim heimischen Finanzministerium wollte man sich gegenüber dem STANDARD nicht dazu äußern, da der Vorschlag noch nicht offiziell bekannt sei.
Kein echter Gegenvorschlag
Ob das knapp zwei Seiten dünne Papier der „Sparsamen Vier“ein Gegenvorschlag zum 2000-seitigen EU-Vorschlag ist, ist unklar. Dass Österreich und Co eine Begrenzung der Nothilfen auf zwei Jahre forderten, ist für Selmayr kein Widerspruch. Auch die EUKommission wolle die Wiederaufbau-Hilfen bis 2022 laufen lassen. „Wenn es zu keiner zweiten Welle kommt, sind zwei Jahre ausreichend.“Auch würden Zuschüsse und Kredite laut Plänen der Kommission nur zweckgebunden vergeben. Selmayr ortet deshalb keinen Richtungsstreit in der EU.
Dass Österreich so klar Stellung bezieht „verfolgt in erster Linie den Zweck, eine Maximalposition zu formulieren“, sagt Philipp Heimberger vom Wiener Institut für internationalen Wirtschaftsvergleich: „Es wird am Ende einen Kompromissvorschlag aus Zuschüssen und Krediten für den Wiederaufbaufonds geben. Aber Kanzler Sebastian Kurz treibt mit seiner Vorgehensweise den politischen Preis in die Höhe.“