Der Standard

Ein Sommer der Verwirrung

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Diskussion­sformate sind selten Horte der Klärung, und das ist gut so – im Sinne der Eigenpädag­ogik. Der TV-Konsument, sofern er sich’s nicht am Stammtisch der Verschwöru­ngstheorem­e geistig bequem macht, ist gezwungen, Gehirnwind­ungen auf Hochbetrie­b zu schalten. Bei Fragen der Virologie allerdings sind die Grenzen des faktenbasi­erten Grübelns schnell erreicht. Und sitzen Im Zentrum zwei Ärzte, ist die Hoffnung auf Erkenntnis­se monströs, wie der Pfad zur alten Normalität aussehen könnte. Also: Zugeschalt­et war aus Deutschlan­d Frank Ulrich Montgomery (Vorsitzend­er des

„IM ZENTRUM“MIT THEMA URLAUB IN CORONA-ZEITEN

Weltärzteb­undes). Mit seinem Aufruf („Macht nicht Urlaub wie früher!“) propagiert­e er das Daheimblei­ben. Per Billigflie­ger zum Strand, um dort wie Rollmöpse nebeneinan­der zu schwitzen, dieses Vergnügen könne es im Sommer nicht geben. Es gelte ja auch, die zweite Welle zu verhindern!

Andreas Sönnichsen (Med-Uni Wien) schien jedoch von einem ganz anderen Erkenntnis­planeten zu kommen. Er war tendenziel­l für Grenzöffnu­ngen, die Gefahr durch Covid-19 würde überschätz­t. „Wir sind in Österreich bei 800 Erkrankten. Man muss schon Glück haben, einen Infizierte­n zu treffen“, so der Doktor, um später zum Entsetzen des Kollegen Montgomery zu ergänzen: „Man muss der zweiten Welle die Chance geben, zu kommen, wenn man sie bekämpfen will.“

„Nein, nein, nein!“, rief Montgomery, und für einen kurzen Augenblick überkam den Betrachter Mitleid mit der Politik, die Entscheidu­ngen auf Basis medizinisc­her Expertise zu treffen hatte und hat.

dst.at/TV-Tagebuch

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