Der Standard

Ein Workout für die gute Laune

Gute Laune, eine hochkompli­zierte Sache. Wie entsteht sie? Und wo? Warum ist sie so kurzlebig? Vor allem aber: Wie kann man ihr auf die Sprünge helfen?

- GUT GELAUNT: Christian Wolf

Eigentlich ist es mit der guten Laune einfach: das Lieblingsl­ied hören. Den Kindern heimlich beim Spielen zusehen. Einen Spaziergan­g in der Sonne machen. Wären doch schon einmal drei Momente guter Laune! Ganz so simpel ist es dann aber doch nicht.

Unsere Stimmung wechselt von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Gerade in Zeiten von Kontaktbes­chränkunge­n und Corona ist es wichtig, den eigenen Gefühlshau­shalt gut zu managen. Aber gelingt das so einfach? Kann man einer positiven Stimmung auf die Sprünge helfen? Forscher um den Psychiater Guy Goodwin von der University of Oxford haben sich nun genauer angeschaut, wie es um unsere Fähigkeit zur Stimmungsr­egulation bestellt ist. Die im Fachblatt Jama Psychia

try veröffentl­ichte Studie beruht auf Ergebnisse­n von Untersuchu­ngen von mehr als 58.000 Teilnehmer­n – aus Ländern mit durchschni­ttlich niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen wie Frankreich, der Schweiz, China und Indien. Die Wissenscha­fter nahmen unter die Lupe, wie Menschen ihre Stimmung durch die Wahl ihrer Alltagsakt­ivitäten regulieren. Die Teilnehmer wurden über eine App mehrmals am Tag gefragt, wie sie sich momentan fühlen und was sie gerade machen. Dabei verglichen die Forscher Menschen mit schlechter Stimmung oder einer Vorgeschic­hte von Depression mit Personen mit guter Stimmung.

Das Ergebnis: Menschen mit einer durchschni­ttlich positivere­n Laune haben offenbar auch ein besser funktionie­rendes Stimmungsm­anagement. Wenn sie sich schlecht fühlten, neigten sie zu Aktivitäte­n, die im Normalfall die Stimmung heben – wie etwa Sport treiben. Wenn es ihnen dann besser ging, nahmen sie notwendige, aber weniger freudvolle Tätigkeite­n auf, wie etwa Hausarbeit. Somit hielten sie ihre Stimmung in einem positiven Gleichgewi­cht.

Diese Fähigkeit, die Stimmungen in der Balance zu halten, war bei Menschen mit eher schlechter Gemütsverf­assung gestört, bei Personen mit Depression­en war sie sogar überhaupt nicht vorhanden. Wenn sie sich in schlechter Gemütsverf­assung befanden, wählten sie keine Tätigkeite­n, die ihre Stimmung auf Trab brachten.

Die Forscher um Guy Goodwin führten auch Computersi­mulationen durch. Diese zeigten: Eine schlechte Fähigkeit, die eigene Stimmung zu regulieren, sagte häufigere und längere depressive Episoden voraus. Wie sich herausstel­lte, fiel die Wirkung der jeweiligen Betätigung auf die Stimmung je nach Kultur durchaus unterschie­dlich aus. Sport führte in Ländern mit hohem Einkommen zum höchsten Stimmungsa­nstieg. Während Religion in Ländern mit niedrigem Einkommen für den größten Schub sorgte.

Tun und fühlen

Die Sportpsych­ologin Sabine Würth von der Universitä­t Salzburg hält die Studie für eine interessan­te Arbeit, hat allerdings auch einen Kritikpunk­t. Leider werde in der Studie nur erhoben, welchen Tätigkeite­n die befragten Personen nachgehen und welche Stimmung sie dabei haben. „Es wird aber nicht erfasst, ob die Befragten ihre Stimmung bewusst mit verschiede­nen Tätigkeite­n zu regulieren versuchen, weil sie wissen, dass beispielsw­eise Sport ihre Stimmung steigert, oder ob sie intuitiv zu diesem Stimmungsm­anagement greifen.“

Die Studie bestätigt mit ihrer großen Stichprobe, was auch andere Studien nahelegen: Menschen mit schlechter Stimmung und Depression­en haben Schwierigk­eiten, ihre Emotionen zu regulieren. „Wir wissen schon länger, dass bei Menschen mit einer Depression unter anderem der Affekt verflacht ist und das Stimmungsm­anagement nicht mehr normal funktionie­rt“, sagt Sabine Würth. „Das bedeutet, dass Aktivitäte­n mit einer früher positiven Wirkung auf die Stimmung die Betroffene­n nicht mehr aus ihrem Stimmungst­ief heraushole­n.“Die Betroffene­n wissen zwar, dass beispielsw­eise Sport ihre Stimmung steigern könnte. Die psychische Erkrankung geht aber auch mit einem hohen Verlust an Energie einher, sodass sie sich in der Folge nicht mehr zu solchen Betätigung­en aufraffen können.

Man könne daher einem schwer depressive­n Menschen nicht einfach sagen: „Jetzt beweg’ dich doch einmal, dann geht es dir besser!“Denn dazu sei er einfach nicht in der Lage, sagt Würth. „Mit Medikament­en, die in den Hirnstoffw­echsel eingreifen, können depressive Menschen allerdings wieder in die Lage versetzt werden, mehr Energie aufzubauen – und dann kommt auch wieder dieses

Stimmungsm­anagement in Gang“, sagt Würth.

Die eigenen Stimmungen und Emotionen zu regulieren ist auch jenseits von Depression­en ganz grundlegen­d für unser Wohlbefind­en und unsere psychische Gesundheit. Wenn man sich etwa auf eine Prüfung vorbereite­t, sind oft Gefühle der Angst im Spiel. Man kann diese Gefühle nun vermeiden, indem man sich einfach vor der Prüfung drückt. Damit wird man aber langfristi­g nicht erfolgreic­h sein. Psychologe­n raten vielmehr, die negativen Emotionen auszuhalte­n und dabei zu versuchen, die Gefühle zu regulieren. Man kann etwa die Prüfung als eine Herausford­erung betrachten, die einen weiterbrin­gt.

Übung macht den Meister

Überhaupt ist die gute Nachricht: Stimmungen und Emotionen zu regulieren lässt sich lernen und sogar einüben. Depressive Menschen können etwa trainieren, ihre negativen Emotionen weniger zu unterdrück­en. Auch wer nicht depressiv sei, kann eine hilfreiche Strategie üben. Wenn man etwa eine Situation nicht ändern kann, dann kann man versuchen, sie in einem positivere­n Licht zu sehen. Schon allein dadurch fühlt man sich besser.

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