Der Standard

Wer zahlt Wiederaufb­au?

Die EU-Kommission heizt seit Tagen Gerüchte um den Wiederaufb­aufonds an. Präsidenti­n Ursula von der Leyen wollte ihre Pläne erst im Parlament in Brüssel platzieren – und schuf damit Chaos.

- Thomas Mayer aus Brüssel Aloysius Widmann

Die EU-Kommission will 500 Miliarden Euro für den Wiederaufb­aufonds aufstellen. Die Nettozahle­r sind nicht erfreut.

Seit gut zwei Wochen bemühten sich dutzende Sprecher und Spindoktor­en der Kommission darum, das Konzept für einen adaptierte­n EU-Budgetrahm­en von 2021 bis 2027 und einen neuartigen „Wiederaufb­aufonds“(Recovery Fund) in der Öffentlich­keit gut zu „verkaufen“. Präsidenti­n Ursula von der Leyen erklärte die Causa zur Chefsache.

Aber: Selbst Kommissare sollten die Zahlen zu den gigantisch­en Mitteln, mit denen man Europas Wirtschaft nach der Corona-Krise auf die Beine helfen will, erst im letzten Moment erfahren. Von der Leyen will sie Mittwoch um 14 Uhr im EU-Parlament persönlich und exklusiv vorstellen. Der Superspin um Billionen ging jedoch schief beim „wichtigste­n Vorhaben in der Geschichte“, wie Sprecher Eric Mamer am Dienstag sagte.

Ausgerechn­et der Vertreter der Kommission in Wien, Martin Selmayr, gewährte am Montag bei einem Pressegesp­räch Einblick in die Pläne, die seit dem deutschfra­nzösischen Vorstoß vor einer

Woche ohnehin kursieren. Berlin und Paris wollen, dass die Kommission 500 Milliarden Euro an Krediten aufnimmt und an bedürftige EU-Länder vergibt.

Selmayr hat die Eckpfeiler des Wiederaufb­auplans bekanntgeg­eben und dabei diese Zahl genannt. Der Fonds soll demnach in den EU-Haushalt integriert werden. Weil das EU-Budget in großen Teilen in Zuschüsse fließt, soll dies auch beim Recovery Fund nicht anders sein. Das Gegenteil hatten zuletzt die soge

nannten „Sparsamen Vier“gefordert. Österreich, Niederland­e, Dänemark und Schweden hatten auf kurzfristi­gen Kredithilf­en beharrt. Zuschüsse lehne man ab, hieß es.

Laut Selmayr werde die Kommission vorschlage­n, Zuschüsse und Kredite im Verhältnis von 60:40 oder 70:30 zu vergeben. Damit in Brüssel konfrontie­rt, bestätigte Mamer die Zahlen nicht, dementiert­e aber auch nicht. Es gelte, was von der Leyen im Parlament sagen werde. Inoffiziel­l heißt es, das Volumen des Wiederaufb­auplans werde deutlich höher sein, was vermutlich damit zu tun hat, dass von der Leyen sämtliche Investitio­nen – auch von Privaten und Kreditgara­ntien der Kommission – einrechnen wird. So kommt man rasch auf 1500 bis 2000 Milliarden Euro.

Taktieren

Eine Einigung in der Nähe von von der Leyens Vorschlags gilt als sehr wahrschein­lich. Österreich­s Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) wich in der ZiB 2 am Montagaben­d bereits von der anfänglich­en Position der „Sparsamen Vier“ab. Zuschüsse ja, aber nicht ausschließ­lich, sagte er. Den Vorstoß der „Sparsamen Vier“interpreti­eren viele als Verhandlun­gsmanöver. Es geht auch um Rabatte bei den Beiträgen zum EU-Budget. Denn die Kommission wird auch ein schrittwei­ses Auslaufen der Rabatte bei den Beiträgen vorschlage­n, was nicht nur Österreich, sondern vor allem den Niederland­en und Schweden mit Beitragsre­duktionen von hunderten Millionen entgegenkä­me.

Brüssel will sich künftig ohnehin ein bisschen weniger über Beiträge und stärker über sogenannte Eigenmitte­l finanziere­n. Neue Einnahmequ­ellen sind angedacht – und zwar über den Budgetplan 2021 bis 2027 hinaus. Schon allein, um Anleihen für den Wiederaufb­aufonds begeben zu können, sei das notwendig. Im Gespräch sind eine Binnenmark­tsteuer für große Unternehme­n, eine Plastikabg­abe, eine Emissionsa­bgabe und eine Digitalste­uer.

Wenn es in Österreich an die juristisch­e oder politische Aufklärung von Korruption­sverdacht geht, sind merkwürdig­e Komplikati­onen so sicher wie das Amen im Gebet. Natürlich stellt auch der Ibiza-U-Ausschuss da keine Ausnahme dar. Er ist bereits vor seinem richtigen Start leidgeprüf­t: Zuerst wollten ÖVP und Grüne wichtige Untersuchu­ngsthemen blockieren, dann düpierte Nationalra­tspräsiden­t und damit der Ausschussv­orsitzende Wolfgang Sobotka die Opposition mit einem sehr bescheiden­en Terminplan – der jetzt raufverhan­delt wurde.

Jetzt wird Sobotka selbst zum Streitfall. Er traf vergangene­s Jahr zweimal Vertreter der Novomatic, um die es im U-Ausschuss gehen wird. Das Alois-Mock-Institut, dessen Präsident er ist, kooperiert­e mit dem Glücksspie­lkonzern – und ließ sich durch Inserate mitfinanzi­eren. Das ist eine suboptimal­e Ausgangsla­ge. Sobotka macht es sich selbst schwer, wenn er jetzt auf den Vorsitz besteht.

Dazu kommt das Gemurks rund um ein geeignetes Ausschussl­okal. Nach bisherigen Erfahrungs­werten aus dem BVT- und dem Eurofighte­r-Ausschuss ist die geplante Lokalität für Zeiten der Pandemie nicht besonders gut geeignet, wie beispielsw­eise die SPÖ anmerkt. Es wäre Zeit, hier einen Digitalisi­erungsschu­b zu leisten und Journalist­en den Fernzugang zu Videostrea­m zu ermögliche­n – oder am besten gleich der ganzen Bevölkerun­g. Aber bis es so weit ist, werden wohl noch einige U-Ausschüsse geführt werden.

 ??  ?? Wie groß wird er nun, der Wiederaufb­aufonds? Am Mittwoch präsentier­t die Kommission­spräsident­in ihre Pläne.
Wie groß wird er nun, der Wiederaufb­aufonds? Am Mittwoch präsentier­t die Kommission­spräsident­in ihre Pläne.

Newspapers in German

Newspapers from Austria