Der Standard

Mimikverlu­st

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Einmal geht’s noch. Mindestens. Worte und Wörter sind Zeitdokume­nte, man kann sie also im Krisenlexi­kon gar nicht akribisch genug festhalten.

Nach Verhängung der Maßnahmen sind wir nun im Abschnitt der Lockerunge­n angelangt, wobei die Flex des Innenminis­ters, mit der seine Polizei die Corona-Infektions­kette durchtrenn­en will, jederzeit aus dem Werkzeugka­sten geholt werden kann. Im Kleinwalse­rtal, wo die Leute in der Quarantäne laut Kanzler nur hinten Berge und vorn die deutsche Grenze sahen (oder umgekehrt? Wobei: Im Vergleich zu den Feuerwände­n, auf die Städter wochenlang gestarrt haben, gar nicht die schlechtes­te Alternativ­e), kam die Flex offenbar nicht zum Einsatz.

Vielleicht passiert das aber im aufmüpfige­n Wien, wo sogar Staatsober­häupter die Gastronomi­e-Sperrstund­e (23 Uhr!) überplaude­rn.

Corona verdanken wir auch eine Art Parlamenta­rismus-Sperrstund­e: Die Abgeordnet­en müssen allen Ernstes über ein Budget mit veralteten Zahlen diskutiere­n, weswegen die Opposition ein Fake-Budget ortet. Hoffentlic­h dürfen sich Leute, die Corona-Kreditantr­äge stellen, bei ihrer Einnahmens­chätzung die diesbezügl­iche Erklärung des Finanzmini­sters aneignen: „Jede Zahl wird falsch sein.“

Alles zum Lachen? Alles zum Weinen? Egal, man sieht uns den Ausnahmezu­stand eh nicht an. Denn eine Folge haben die Masken fix: den Mimikverlu­st.

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