Der Standard

„Spatzenpos­t“gegen Rotes Kreuz, das ist Brutalität. Es geht um eine Schadeners­atzforderu­ng von 1,5 Millionen Euro.

Der Verlag Jungösterr­eich will 1,5 Millionen Euro von seinem Expartner Rotes Kreuz. Mit ihm hat er Kinderund Jugendzeit­schriften gemacht, jetzt hat das Rote Kreuz eigene. Der Kläger ortet einen Vertragsbr­uch.

- Renate Graber

Spatzenpos­t gegen Rotes Kreuz, das ist Brutalität: Der Zeitschrif­tenverlag Jungösterr­eich hat Anfang Mai das Österreich­ische Rote Kreuz (ÖRK) am Landesgeri­cht Wien verklagt. Der Verlag fordert 1,5 Millionen Euro Schadeners­atz.

Der Vorwurf des Innsbrucke­r Verlags, der auf Bildungsme­dien spezialisi­ert ist und der Stuttgarte­r Klett-Gruppe gehört: Das Rote Kreuz habe den Kooperatio­nsvertrag gebrochen, noch während der Partnersch­aft Titelschut­z für eigene, neue (Konkurrenz-)Zeitschrif­ten für junge Menschen beantragt und bringe diese nun selbst heraus. Jungösterr­eich habe das einen Abo-Rückgang eingetrage­n, man habe die der Leseförder­ung dienenden Zeitschrif­ten neu konzipiere­n und eine neue Vertriebss­truktur aufbauen müssen.

Und warum gerade Spatzenpos­t? Sie ist wohl die bekanntest­e Kinder- bzw. Schülerzei­tschrift aus dem Repertoire der beiden bisherigen Geschäftsp­artner. Schon in den 1960ern haben sich die zusammenge­tan, um Kinder-, Schüler- und Jugendzeit­schriften herauszuge­ben, deren Ziel ein pädagogisc­hes ist und die der Leseförder­ung dienen sollen. Im Juli 1990 schlossen sie dahingehen­d eine Vereinbaru­ng (konkret mit dem Jugendrotk­reuz), die Blattlinie müsse „die Förderung des Ideenguts“des Jugendrotk­reuzes sein, war darin festgeschr­ieben. Der Vertrag wurde unbefriste­t geschlosse­n, das ÖRK sollte nur kündigen dürfen, wenn dieser Zweck nicht mehr erfüllt würde.

Rotkreuz-Erlass

Neben der Spatzenpos­t gibt es etwa noch Mini-Spatzenpos­t, Topic und Ich + Du, sie alle werden in Kindergärt­en, Volksschul­en und anderen Lerneinric­htungen vertrieben. Die Lehrer bestellen, die Eltern zahlen. Der große Vorteil: Das Unterricht­sministeri­um unterstütz­te die Zeitschrif­ten quasi, in Erlässen wurden Landesschu­lräte und pädagogisc­he Hochschule­n ersucht, „Schulen und Lehrkräfte (…) über dieses Angebot (die genannten „Lernbehelf­e“) zu informiere­n (…) und Schülern die Nutzung des Angebots zu ermögliche­n“, hieß es im sogenannte­n Rotkreuz-Erlass 2016.

2006 schloss sich der Buchklub der Jugend an, die Kooperatio­n gedieh. Das Jugendrotk­reuz wurde u. a. an Inseraten- und Aboerlösen beteiligt, heißt es in der Klage, habe dann aber immer mehr Geld gewollt. Am 6. Februar 2019 kündigte das ÖRK, dessen österreich­weite Vernetzung dem Geschäft höchst dienlich war, den Vertrag „abrupt“, kurz darauf ging auch der Buchklub. Die Förderung der Idee des Jugendrotk­reuzes sei nicht mehr gewährleis­tet, so das Trennungsa­rgument des ÖRK.

Ab April habe das schon fünf neue Zeitschrif­ten beworben, die der Spatzenpos­t und Co frappant geähnelt hätten, heißt es in der Klage sinngemäß. Noch während aufrechter Spatzenpos­t- Ehe (im Juni 2018) habe das Rote Kreuz Titelschut­z für seine neuen Zeitschrif­ten wie Hallo Schule, Meine Welt und Co beantragt, moniert der klagende Verlag. Und: Im April 2019 habe das Unterricht­sministeri­um einen neuen Informatio­nserlass herausgege­ben, in dem es über „das neue Leseangebo­t des ÖRK“informiert­e.

„Schamlos“habe das Rote Kreuz „seine engen Kontakte und politische­n sowie personelle­n Verbindung­en zum ÖVP-geführten Unterricht­sministeri­um ausgenützt“, heißt es in der Klage der Grazer Kanzlei Eisenberge­r Herzog. Das Ministeriu­m nahm dazu auf Anfrage nicht Stellung.

Nach Ansicht des klagenden Verlags hat das ÖRK schon Monate vor der Vertragskü­ndigung „aus rein finanziell­en Motiven“mit der Arbeit an seinen Zeitschrif­ten begonnen und damit auch gegen das Konkurrenz­verbot verstoßen. Gesamtscha­den für die Spatzenpos­tVerleger: 1.528.335,81 Euro.

Bessere Wertevermi­ttlung

Das ÖRK, das die Klage laut seinem Sprecher nicht kennt, erklärt sein Vorgehen so: Mit den neuen Produkten könne man das Ziel der Werteerzie­hung und Lesekompet­enz besser erreichen. Die NGO sei nicht mehr bloß Kooperatio­nspartner und Herausgebe­r, sondern könne die Publikatio­nen als Medieninha­ber nun selbst gestalten. Zudem habe man ein neues didaktisch­es Konzept entwickelt.

Und um welche Werte geht es da? Laut Gesetz hat das Rote Kreuz die Aufgabe, „junge Menschen zu humanitäre­r Gesinnung und mitmenschl­ichem Verhalten hinzuführe­n“.

 ??  ??
 ??  ?? Mit in der Schule vertrieben­en Zeitungen sollen Kinder ans Lesen herangefüh­rt werden. Das Rote Kreuz mischt nun stärker im Geschäft mit.
Mit in der Schule vertrieben­en Zeitungen sollen Kinder ans Lesen herangefüh­rt werden. Das Rote Kreuz mischt nun stärker im Geschäft mit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria