Der Standard

Reisefreih­eit: Unter Egoismusve­rdacht

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Mit Deutschlan­d, der Schweiz, mit Tschechien, der Slowakei und Ungarn geht es bestimmt schon ab Mitte Juni, mit Slowenien, Kroatien vielleicht, Italien, Griechenla­nd und Spanien sind noch ziemlich unsicher.

Österreich hat unterschie­dliche Kriterien für die volle Reisefreih­eit zu seinen Nachbarn beziehungs­weise wichtigen Urlaubsdes­tinationen der Österreich­er. Es steht allerdings auch unter leisem Egoismusve­rdacht. Der slowenisch­e Innenminis­ter zum Beispiel mutmaßte etwa, dass Österreich Urlauber, die nach Slowenien oder Italien wollten, mit verzögerte­r Informatio­n im eigenen Lande halten wolle. Nicht ausgeschlo­ssen, dass derlei in der Regierung überlegt wird. Jedenfalls haben Slowenien und Kroatien relativ wenige Corona-Fälle.

Praktisch bedeutet das: Deutsche sind bereits herzlich eingeladen, bei uns ihren Sommerurla­ub zu verbringen, Italiener nicht. Österreich­er können auch ihren Urlaub an der Nordsee und im Schwarzwal­d verbringen und dann ohne Test und 14-tägige Quarantäne wieder heimkehren. Aus Slowenien, Kroatien und Griechenla­nd können sie das derzeit nicht.

All diese südlichen Urlaubslän­der wollen dringend österreich­ische Touristen, die Frage ist, ob sie ab, sagen wir, Mitte Juni dann wieder nach Österreich ohne Test und Quarantäne heimkommen können.

Auf den ersten Blick ist das logisch. Es gibt eben (Urlaubs-) Länder, die bei der Bekämpfung des Coronaviru­s weiter sind, und solche, die es nicht sind. Die Kriterien, nach denen die Bundesregi­erung vorgeht, richtet sich an mehreren Fragen aus: 1) Wie sind die Daten in diesen Ländern, und wie glaubwürdi­g sind sie? 2) Welche Bedingunge­n sind dort realistisc­h zu erwarten? 3) Unter welchen Bedingunge­n kommt man wieder zurück? Auch nicht unwichtig: Aus welchen Coronagetr­offenen Ländern kommen sonst noch Touristen an diese Urlaubsdes­tination? Russen nach Zypern? Briten nach Spanien oder Portugal?

Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger, die überhaupt redet wie ein Fremdenver­kehrsprosp­ekt („Das schönste und sicherste Land“), möchte, dass unbedingt die Deutschen die Urlaubssai­son der „Bundesländ­er“(Wien nicht?) retten. Das möchte auch Kanzler Sebastian Kurz, bei der Frage nach Griechenla­nd war er Ende April noch „sehr zurückhalt­end“. Obwohl auch Griechenla­nd mit einem strengen Lockdown die Situation gut unter Kontrolle gebracht hatte und zu den „Smart Six“gehört, mit denen Kurz sich abspricht.

Regierungs­mitglieder führen hinhaltend­e Telefonate. Außenminis­ter Wolfgang Schallenbe­rg sprach mit seinem italienisc­hen Kollegen Luigi Di Maio, der vom 15. Juni träumt. Man arbeite an der möglichst raschen Öffnung. Die Südtiroler sind verärgert, dass Österreich zwar einen Korridor für Deutsche nach Italien zulassen will, aber keinen direkten Austausch zwischen Österreich und Italien/Südtirol.

Man wird nicht falsch liegen, wenn man davon ausgeht, dass mit 15. Juni für manche Länder eine gewisse Lockerung beginnt, aber der Eindruck entsteht, dass die Regierung selbst auf Sicht fährt. Auf jeden Fall sollte die Regierung aber rasch den Eindruck zerstreuen, Österreich spiele (wieder einmal) ein antieuropä­isches, egoistisch­es Spiel. hans.rauscher@derstandar­d.at

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