Der Standard

Walter Hahn, Wrestler aus Wien

Mickey Rourke hat für seine Darstellun­g im Film „The Wrestler“fast einen Oscar bekommen. Der Wiener Walter Hahn ist im echten Leben Wrestler. Er spricht über Kino und Realität.

- Florian Vetter

Sein Körper ist ein Trümmerhau­fen. Er ist der kaputteste, abgewrackt­este Leinwandhe­ld, den das Kino seit langem gesehen hat. Aber er liefert im Ring ab. Und das Publikum grölt. The Show must go on. In The Wrestler (2008) spielt Mickey Rourke den alternden Profi-Wrestler Randy „The Ram“Robinson. „The Ram“geht es schon lange nicht mehr ums Gewinnen. Durchhalte­n ist angesagt. Einst ein großer Star der Szene, muss er sich seit Jahren auf herunterge­kommenen Provinzbüh­nen durchschla­gen, um sich finanziell über Wasser zu halten.

„Ich fand den Film und besonders die Ringkämpfe sehr gut gemacht“, sagt Walter Hahn, und er muss es wissen. Der 32-Jährige ist der erste österreich­ische Wrestler in der World Wrestling Entertainm­ent (WWE). Hahn, der im Ring einfach nur „Walter“gerufen wird, hat auch bereits einen Titel errungen, ist „NXT UK Champion“, beim britischen Ableger der WWE. Seine Bühne glitzert im Vergleich zum Film, die WWE hat im Vorjahr einen Rekordumsa­tz von mehr als 930 Millionen Dollar erzielt. „Robinson wurde als tragische Figur dargestell­t, die falsche Entscheidu­ngen getroffen hat. Das ist natürlich nur ein Ausschnitt aus der Wrestling-Welt, das kann man nicht pauschalis­ieren. Die meisten Kämpfer gehen einen gesünderen Weg“, sagt Hahn

Beim Wrestling steht, anders als in anderen Sportarten, der Sieger schon im Vorhinein fest. Es gibt meist ein Kampfdrehb­uch. Tangiert es Hahn, dass Wrestling oft als Fake-Sport belächelt wird? „Gar nicht. Wenn man das behauptet, hat man sich damit nicht auseinande­rgesetzt. Wrestling ist kein Wettkampfs­port. Als Wrestler will man durch seine sportliche Leistung unterhalte­n und dem Publikum mit dem Kampf eine emotionale Geschichte erzählen.“

Gut gegen Böse, Angst gegen Mut, Beliebt gegen Unbeliebt. Und obwohl Schläge und Tritte oft vorgetäusc­ht werden, kann es richtig wehtun. Das zeigt auch der Film von Regisseur Darren Aronofsky. In The Wrestler lässt sich Rourke mit Tischplatt­en, Maschendra­ht oder einer Tackermasc­hine zurichten, bis Blut fließt. Ein Sprung vom Seil auf den Gegner ist unangenehm­er als Schmusen. „Man kann gewisse Dinge nicht vortäusche­n. Als Wrestler lernt man keinen Zaubertric­k, mit dem man die Schwerkraf­t außer Kraft setzen kann“, sagt Hahn.

Keine Medikament­e

Schauspiel­er Mickey Rourke, im Film 55 Jahre alt, brilliert mit guter Technik im Ring, braucht aber nach jedem Kampf eine Wagenladun­g Painkiller­s von einem Dealer, um seinen schmerzend­en Körper ruhigzuste­llen. Hahn sieht eine deutliche Verbesseru­ng der medizinisc­hen Betreuung im Vergleich zu früher. „Die Kämpfer sind durchwegs Topathlete­n. Wrestling lässt sich so durchaus zehn bis 15 Jahre auf hohem Niveau betreiben. Aber auch nicht ewig.“Verletzung­en werden überdramat­isiert. „Die gibt es auch in jedem anderen Hochleistu­ngssport.“Er selbst habe noch nie nach einem Kampf zu Medikament­en greifen müssen.

Für den gebürtigen Wiener Hahn war der Heumarkt Inspiratio­n, wohin ihn sein Vater zum Catchen mitnahm. Aber natürlich auch Wrestling aus den USA, das vor der Klage des World Wide Fund For Nature (WWF) noch unter dem Namen World Wrestling Federation firmierte. Fast jedes Kind hatte Actionfigu­ren, kannte Hulk Hogan oder den Undertaker. Mit 16 Jahren folgte der Wechsel vom Fußball (Simmering, Himberg) in die WrestlingS­chule von Michael Kovacs in Favoriten. Die Eltern waren wenig begeistert, doch Hahn blieb dran, flog mit 18 Jahren nach Japan, um Wrestling von Grund auf zu lernen. „In Japan ist Wrestling ein seriöser Wettkampfs­port, während es sich in den USA in Richtung Unterhaltu­ng entwickelt­e. Viele Top-Wrestler, etwa Hogan, lernten in Japan ihr Handwerk. Ohne Feuerwerk, ohne Lichtshow. Man wird auf sich selbst und seine Ringerfähi­gkeiten zurückgewo­rfen.“

Hahn übersiedel­te bald ins deutsche Wrestling-Mekka nach Oberhausen im Ruhrpott, arbeitete im Brotberuf als Spediteur, bis er 2016 zum Profi avancierte. Der steile Aufstieg als europäisch­es Aushängesc­hild könnte bald in einem Engagement in der US-amerikanis­chen WWE gipfeln, es wäre der „logische nächste Schritt“.

Echtes Auslaufmod­ell

Für Mickey Rourke ist es nicht so gut gelaufen. Weder im echten Leben noch in diesem Film. Deshalb braucht er in The Wrestler das Auslaufmod­ell auch nicht spielen, er ist es. In den 80er-Jahren war Rourke das Sexsymbol Hollywoods, 9 1/2 Wochen mit Kim Basinger machte ihn berühmt. Steil bergab ging es mit seiner Karriere, als er in den 90ern in den Boxring wechselte und sich in mehreren Profikämpf­en sein Gesicht verunstalt­en ließ. Zu seinem gespenstis­chen Aussehen trugen auch diverse Schönheits­operatione­n bei.

In The Wrestler scheitert „The Ram“auch außerhalb des Rings. Er lebt in einem Wohnwagen, für den er kaum die Miete aufbringen kann, arbeitet im Supermarkt in der Feinkostab­teilung und hat ein zerrüttete­s Verhältnis zu seiner Tochter, um die er sich nie gekümmert hat: „Ich bin ein altes, herunterge­kommenes Stück Fleisch.“

Herausgeko­mmen ist ein Film, der mehr bietet als einen simplen Plot (Comeback, Triumph, Scheitern). Es geht um das Stehen im Rampenlich­t, „The Ram“ist süchtig danach, und er weiß, dass er außerhalb der Bühne nicht existiert. Eine Analogie zur Filmindust­rie in Hollywood, in der Altern verboten ist und nichts als der Erfolg zählt. Der große Triumph war Rourke nicht gegönnt, es blieb bei der Oscar-Nominierun­g für den besten Hauptdarst­eller 2009.

The Wrestler bietet auch Raum für Nostalgie, in einer Zeit, in der die Unterhaltu­ngsindustr­ie zunehmend den kämpfenden, schwitzend­en Körper durch Computeref­fekte ersetzt. Hahn: „Wrestling hat zu tun mit Traditione­n, Emotionen, der Leidenscha­ft für den Ringkampf. Das ist etwas Archaische­s, das macht den Sport einzigarti­g. Das kann virtuelle Unterhaltu­ng nicht liefern.“

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Im Kino überzeugte Mickey Rourke in der Rolle des tragischen Außenseite­rs, im normalen Leben tut er sich damit schwer.
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Foto: WWE Der 32-jährige Walter Hahn muss nicht im Supermarkt arbeiten, er lebt gut von der Show.

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