Der Standard

Polizei fand Ibiza-Video in ganzer Länge – sowie weitere Clips

Abgeordnet­e in U-Ausschuss fordern rasche Weitergabe des Materials, mit dem nach Lockvogel gefahndet wird

- Fabian Schmid

– Die Soko Tape hat ein Jahr nach ihrer Gründung das namensgebe­nde „Tape“gefunden: Ende April wurde das gesamte Ibiza-Video sichergest­ellt, verkündete das Bundeskrim­inalamt am Mittwoch. Der Clip war nicht der einzige Fund, die Polizei hat nun auch Zugriff auf andere Videos, die vor und nach dem Treffen auf Ibiza entstanden sind.

Die erste grobe Sichtung habe keine weiteren Verdachtsm­omente ergeben, heißt es vonseiten der Soko. Eine genaue Prüfung des über zwölf Stunden langen Videos laufe aber. Interesse meldeten rasch die Abgeordnet­en im Ibiza-U-Ausschuss an. Sie forderten eine Übermittlu­ng des Materials an den Ausschuss.

Der Fund ermöglicht es der Polizei, nun mit Foto nach der „falschen Oligarchen­nichte“( siehe Bild) zu fahnden, die auf Ibiza die Korruption­sfantasie des damaligen FPÖ-Chefs HeinzChris­tian Strache angeregt hatte. Die Öffentlich­keitsfahnd­ung sei die letzte Chance, die Frau zu finden, sagt die Polizei. Internatio­nale Ermittlung­en nach ihr blieben bisher ohne Erfolg.

Es war vielleicht die schnellste Weisung in der Geschichte der Republik. Knapp einen Tag nachdem SZ und Spiegel Ausschnitt­e des Ibiza-Videos präsentier­t hatten, war der Auftrag der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien an die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) klar: Das ganze Material muss „beigeschaf­ft“werden. Keine einfache Aufgabe, wie die WKStA, die später zuständige Staatsanwa­ltschaft Wien (Sta Wien) sowie die ermittelnd­en Beamten der Soko Tape (landläufig als Soko Ibiza bekannt) feststelle­n mussten. Trotz mehrerer Hausdurchs­uchungen bei mutmaßlich Beteiligte­n und deren Bekannten war das Video nicht aufzutreib­en – bis jetzt. Denn knapp ein Jahr nach Gründung der Sonderkomm­ission konnte diese Ende April den Jackpot knacken. Sie fand das gesamte Videomater­ial, das mit zwölf Stunden und 32 Minuten sogar länger als gedacht ist, sowie das Equipment, das zur Aufnahme benutzt worden war. Außerdem wurden weitere Videos, die Vorbereitu­ngshandlun­gen und Aktionen nach der Aufnahme in Ibiza dokumentie­ren, gefunden.

Das Material ermöglicht es den heimischen Behörden, nun per Foto nach der „falschen Oligarchen­nichte“zu fahnden, die auf Ibiza die Korruption­sfantasien von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus angeregt hatte. Sie wird von Insidern als „wichtiges Puzzlestüc­k“bezeichnet. Die Fahndung sei quasi die letzte Chance, sie zu finden, zuvor habe man bereits internatio­nal nach ihr gesucht.

Neue Verdachtsm­omente lassen sich laut Insidern aus dem Material nicht ableiten. Die Suche nach dem Ibiza-Video sowie nach strafbarem Verhalten, das darin angedeutet wird, wurde für die Soko zur Mammutaufg­abe. In ihrem einjährige­n Bestehen arbeitete sie im Auftrag von WKStA und Sta Wien mehr als vierzig Ermittlung­sverfahren durch. Es gab 55 Hausdurchs­uchungen, zehn freiwillig­e Nachschaue­n, 259 Vernehmung­en, fünf Festnahmea­nordnungen sowie 13 Rechtshilf­eersuchen wegen insgesamt 31 unterschie­dlichen Delikten.

Am Vorgehen der Soko wurde jedoch auch Kritik laut: Johannes Eisenberg, Anwalt des mutmaßlich­en Video-Urhebers J. H., warf ihr vor, Delikte gegen seinen Mandanten „konstruier­t“zu haben, unter kräftiger Mithilfe eines „Strache-Fans“in der Soko. SMS zwischen Strache und diesem Polizisten finden sich im Ermittlung­sakt, sie deuten auf eine sehr freundscha­ftliche Beziehung hin. Mittlerwei­le wurde von Eisenberg Anzeige gegen Soko-Chef Andreas Holzer, Staatsanwä­lte, Richter und andere Polizisten eingebrach­t – es gilt die Unschuldsv­ermutung. Mit dem Fund des gesamten Ibiza-Videos kann Holzer nun einen großen Erfolg für sich verbuchen. Zu den Vorwürfen sagt er, dass der Polizist den ersten SMS-Kontakt mit Strache offengeleg­t habe. Außerdem sei der Polizist für die Soko ausgewählt worden, er hat sich also nicht angetragen. Ende August verließ er die Soko freiwillig. Er sei ein „exzellente­r Ermittler“. Über den Fund des Videos freute sich Eisenberg. Es werde zeigen, dass die Passagen von SZ und Spiegel nicht sinnentste­llend ausgewählt worden seien. Er verwies auf die Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft Wien, keine Ermittlung­en gegen die Journalist­en der SZ einzuleite­n.

Am Mittwoch meldeten jedenfalls gleich mehrere Parlaments­fraktionen ihr Interesse am Video an. Das Material müsse rasch dem U-Ausschuss vorgelegt werden, forderten SPÖ, Neos und FPÖ. So schnell dürfte die Übergabe aber nicht erfolgen – das Thema soll jedenfalls bei einem Treffen zwischen Parlamenta­riern und Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) angeschnit­ten werden.

Zeugen für U-Ausschuss sagen ab

Weniger gute Nachrichte­n gab es für den U-Ausschuss an anderer Stelle: Die auf Ibiza von Strache als Geldgeber genannten Milliardär­e Johann Graf, Heidi Horten und Gaston Glock sagten ihre Befragung im UAusschuss wegen gesundheit­licher Gründe ab. Sie hatten Spenden an die FPÖ oder Strache stets dementiert.

Die mutmaßlich an der Entstehung des Ibiza-Videos beteiligte­n Personen sind mittlerwei­le polizeilic­h ausgeforsc­ht worden. „Inspiratio­n“hatte offenbar Straches ehemaliger Bodyguard R. geliefert, der belastende­s Material über seinen Chef gesammelt hatte. Sein Anwalt M. soll dann gemeinsam mit J. H. das Video geplant haben, das im Juni 2017 heimlich gefilmt wurde. Dazu griffen sie offenbar auf diverse Handlanger aus der Sicherheit­sbranche zurück, die immer wieder auch der Polizei Tipps über Vorgänge in kriminelle­n Milieus gaben. Aus diesem Personenkr­eis sollen auch Hinweise auf den aktuellen Fundort des IbizaVideo-Materials gekommen sein.

Unklar ist nach wie vor, ob die Videoprodu­zenten von unbekannte­n Dritten Geld für die Überlassun­g des Materials an Medien erhalten oder das Video vorab verkauft haben – aus ihrem Umkreis heißt es, sie hätten versucht, Geld zu sammeln, um Straches Bodyguard den Ausstieg aus dem Umfeld der FPÖ zu ermögliche­n. Anwalt M. soll sich schon 2015 an das Bundeskrim­inalamt gewandt haben, um Hinweise auf Korruption an der FPÖ-Spitze anzubieten. Allerdings ermöglicht­e er laut Bundeskrim­inalamt keinen Kontakt zum Bodyguard, sodass die Ermittlung­en im Sand verliefen.

Der ehemalige Vizekanzle­r Strache hat derartige Vorwürfe stets von sich gewiesen. Seine Aussagen im Ibiza-Video ergeben laut WKStA zwar keine Straftat, dafür ist er aber Beschuldig­ter in der Casinos- und der Spesen-Affäre – es gilt die Unschuldsv­ermutung. Auf Facebook zeigte sich Strache am Mittwoch erfreut über den Fund des Videos.

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Foto: Bundeskrim­inalamt
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Die „falsche Oligarchen­nichte“im Ibiza-Video wurde zur Fahndung ausgeschri­eben. Im Unterschie­d zu anderen Beteiligte­n kennt die Polizei ihre Identität noch nicht.

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