ZITAT DES TAGES
Aktivistenführer Joshua Wong sieht Brüssel in einer Schlüsselrolle im Umgang mit Peking
„Die EU soll Sanktionen gegen China verhängen.“ Studentenführer Joshua Wong über das Sicherheitsgesetz in Hongkong
Am Mittwoch war es erst ein geplantes Gesetz gegen die Verunglimpfung der chinesischen Nationalhymne, die wieder hunderte Hongkonger auf die Straßen brachte. Während das Gesetz im Lokalparlament debattiert wurde, schoss die Polizei mit Pfefferspray auf die Demonstranten davor. Im Laufe des Tages schwollen die Proteste wieder auf tausende Menschen an – und den Protestierenden ging es nicht nur um die Hymne.
Denn der wahre Lostag für die Stadt ist der heutige Donnerstag: Da soll der Nationale Volkskongress in Peking ein umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong debattieren und wohl auch gleich verabschieden. Das Gesetz würde Peking erlauben, direkt in Hongkong einzugreifen – und somit den Sonderstatus der autonomen Finanzmetropole bedrohen.
„Autoritäres System“
„China zwingt Hongkong sein autoritäres System auf“, sagt Joshua Wong zum STANDARD. „Etliche Bürgerrechtsgruppen, Journalisten und Menschenrechtsanwälte wurden schon unter dem Vorwand verhaftet, sie hätten die nationale Sicherheit gefährdet. Jetzt drohen noch mehr Menschenrechtsverletzungen“, befürchtet der 23-Jährige.
Wong ist einer der lautesten Wortführer der tausenden Aktivisten, die schon seit Jahren gegen die zunehmende Einflussnahme Pekings demonstrieren. Vor einem Jahr hat die jüngste Protestwelle wegen eines Auslieferungsgesetzes begonnen.
Erfolgreich konnten die Demonstranten das Gesetz im Lokalparlament verhindern. Ein Jahr und einige Festnahmen später appelliert Wong an die internationale Gemeinschaft. „Das neue Gesetz wird die Menschenrechtsstandards und das Geschäftsumfeld in Hongkong vollkommen verändern“, sagt er. „Das hat auch Auswirkungen auf europäische Firmeninteressen in der Stadt – und führt zu einem demokratischen Rückschlag in der ganzen Region.“
Die USA haben bereits am Wochenende angekündigt, Sanktionen gegen China zu erwägen, sollte das Gesetz tatsächlich umgesetzt werden. Auch die EU hat sich gegen das Gesetz positioniert. China müsse Hongkongs Autonomie respektieren, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Dienstag.
Ob die EU aber auch Sanktionen gegen Peking verhängen würde, ist offen. Bisher sprach EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bloß davon, dass die EU gegenüber China eine „robustere Strategie“benötige. Am Freitag werden die EU-Außenminister das umstrittene Gesetz diskutieren.
Für Wong ist die Sache klar: „Die EU soll Sanktionen gegen China verhängen“, fordert er. Die EU sei einer der wichtigsten Förderer der Demokratie weltweit. So sieht Wong die EU auch in einer Schlüsselrolle im Umgang mit
China. „Anders als die USA ist die EU Chinas größtes Exportziel“, sagt er.
Die EU sei außerdem Chinas wichtigste Quelle für Hightech und der wichtigste „Checkpoint“für Chinas Belt-and-Road-Initiative. Die EU hätte daher großen Einfluss darauf, das Land darin zu bremsen, „sein autoritäres Modell im Ausland aggressiv auszubauen“.
Hongkong als „Firewall“
Bei Handelsverträgen sollte die EU auf Menschenrechtsklauseln pochen. Wenn das geplante Gesetz tatsächlich in Kraft trete, dann sollten sich die europäischen Länder überlegen, ob Hongkongs besonderer Handelsstatus noch aufrechterhalten werden könne, meint Wong. Der Grund, warum so viele Unternehmen überhaupt Hongkong wählten, liege in den gesicherten Grundrechten, in den Garantien für den Schutz der Menschenrechte, für ein unabhängiges Justizsystem und für lockere Geschäftsregeln.
Diese „Firewall“, wie es Wong nennt, würde durch das neue Gesetz deutlich geschwächt werden. „Wenn das Gesetz einmal implementiert ist, wird Hongkong in Chinas autoritäres Regime assimiliert“, befürchtet Wong.