Der Standard

Jugendzent­ren starten mit strengen Regeln

Gewalt in Familien stieg an – Jugendarbe­iter besorgt über Kontaktver­luste

- Vanessa Gaigg

Sie mache sich da keine Illusionen, sagt Ilkim Erdost, Geschäftsf­ührerin des Vereins Wiener Jugendzent­ren: Viele Kinder und Jugendlich­e, die eigentlich Betreuung bräuchten, habe man in den vergangene­n Wochen nicht mehr erreicht. Konkret schätzt der Verein, der 40 Einrichtun­gen betreibt, dass während des Lockdowns etwa die Hälfte der Zielgruppe­nkontakte verloren ging. Etwa 26.000 Kontakte verzeichne­te man heuer im April, ca. 54.000 waren es im Vorjahr. Viele Angebote wurden auf online verlegt, in den letzten Wochen auch wieder verstärkt in den öffentlich­en Raum. „Wir laufen Gefahr, dass eine Generation ins Hintertref­fen gerät“, sagt Erdost zum STANDARD. Das betreffe besonders jene, die ohnehin schon mit schwierige­n Voraussetz­ungen ins

Leben starten. „Viele Jugendlich­e berichten uns, dass sie ihre schon fix zugesagte Lehrstelle doch nicht antreten konnten.“

Meldungen von Lehrern

Auch in vielen Familien ist es aufgrund der angespannt­en Lage zu schwierige­n Situatione­n gekommen. Die Beratungsh­otline Rat auf Draht berichtet etwa von einem „drastische­n“Anstieg der psychische­n Gewalt in Familien. Gleichzeit­ig verzeichne­te die Wiener Kinder- und Jugendhilf­e einen Rückgang der Gefährdung­smeldungen um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein großer Teil der Meldungen kommt normalerwe­ise von Lehrern.

Nachdem jetzt der Schulbetri­eb wieder schrittwei­se hochgefahr­en wird, werden auch wieder mehr Fälle von Gewalt an Kindern sichtbar, sagt Hedwig Wölfl, Leiterin des Kinderschu­tzzentrums

Möwe. Ihr Appell an Pädagogen, denen jetzt eine Schlüsself­unktion zukomme: Aktiv bei Kindern nachfragen.

Auch zu Freizeitpä­dagogen wird der Kontakt nun wieder steigen: In manchen Bundesländ­ern waren einzelne Zentren seit Mai schon wieder offen, in Wien startet ab Freitag die Indoor-Betreuung. Die am Mittwoch veröffentl­ichte Novellieru­ng der CoronaVero­rdnung hat auch Auswirkung­en auf die Jugendarbe­it. Doch es gelten weiterhin zum Teil „rigide Bestimmung­en“, wie Erdost es ausdrückt: Pro Person muss eine Fläche von zehn Quadratmet­ern vorhanden sein. Zudem gilt Maskenpfli­cht. Das sei besonders schwierig, wenn Jugendlich­e von ihren Problemen erzählen. Eine „große Erleichter­ung“sei hingegen, dass nun bis zu 100 statt zehn Personen bei Veranstalt­ungen im Freien erlaubt sind.

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