Der Standard

Urteil gegen Wien zeigt Mängel bei Transparen­z

Die Stadt handelt mit Geheimhalt­ung sogar dem Urteil eines Höchstgeri­chts zuwider

- Sebastian Fellner

Begonnen hat alles mit dem Informatio­nsbedürfni­s der Stadt Wien: Im Jahr 2016 hat die Stadtregie­rung alle ihre Mitarbeite­r befragt, wo man in der Verwaltung Geld sparen könnte. Der damalige Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) präsentier­te das Ergebnis: 1200 Vorschläge seien eingegange­n. Doch dann wurde die Stadt schweigsam, wie ein aktuelles Urteil des Verwaltung­sgerichts zeigt.

Denn Markus Hametner, Aktivist vom Forum Informatio­nsfreiheit (FOI), wollte den Wortlaut der Vorschläge wissen – und stellte eine Anfrage nach dem Wiener Auskunftsp­flichtgese­tz. Vier Jahre später kennt er die Texte noch immer nicht. Und das, obwohl ein Höchstgeri­cht schon 2018 erkannt hat, dass die Informatio­n im öffentlich­en Interesse liegt und Wien diese herausgebe­n muss.

Zu Beginn erklärte das Magistrat, dass Hametner gar kein Recht auf Informatio­n zustünde. Das FOI bekämpfte den Bescheid, der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) gab der NGO 2018 in letzter Instanz recht: Die Informatio­n liege im öffentlich­en Interesse und muss herausgege­ben werden. Doch die Stadt veröffentl­ichte nur eine Liste mit „Kurzbezeic­hnungen“. Darunter so aussagesch­wache Titel wie „Beschauarz­t entlasten“, „Beendigung von Mitgliedsc­haften“oder „Reduktion externer Leistungen“. Die Stadt Wien behauptet, Hametners Anfrage sei damit beantworte­t worden. Hametner sieht das anders. Er bringt Säumnisbes­chwerde beim Verwaltung­sgericht Wien ein.

Auch Gericht sah Akten nicht

Und das hat jetzt entschiede­n: Wien muss die Vorschläge herausrück­en. Das Magistrat sei seiner gesetzlich­en Verpflicht­ung „offenkundi­g gezielt nicht nachgekomm­en“, heißt es im Urteil, das dem STANDARD vorliegt. Darin ist auch zu lesen, dass sogar dem Richter die Einsicht in die Akten verwehrt wurde. Die Stadt Wien kann gegen das aktuelle Urteil Revision einlegen.

Für die Transparen­z-Aktivisten belegt der Fall, dass Behörden Informatio­nen von öffentlich­em Interesse geheim halten können, ohne Konsequenz­en fürchten zu müssen. Für FOI-Generalsek­retär Mathias Huter ist dadurch einmal mehr klar, „dass die Gesetzesla­ge nicht dazu geschaffen ist, Transparen­z, Kontrolle und Nachvollzi­ehbarkeit zu schaffen“. Österreich sei das letzte Land in der EU, in dem es kein Recht auf Zugang zu Informatio­nen bei staatliche­n Stellen gebe.

Der Wiener Fall verdeutlic­he, dass ein eigener Beauftragt­er für Informatio­nsfreiheit für die Durchsetzu­ng eines solchen Rechts notwendig ist. In den bisherigen Verhandlun­gen weigerten sich ÖVP, SPÖ und FPÖ stets, eine solche Stelle zu schaffen. Auch im türkis-grünen Regierungs­programm ist sie nicht vorgesehen.

Hametner plant übrigens schon die nächste Anfrage an die Stadt Wien: Er will wissen, wie viel Zeit und Geld die Nichtbeant­wortung seines Antrags gekostet hat.

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Foto: APA / Georg Hochmuth Michael Häupl ist schon in Rente, das Amtsgeheim­nis gilt noch.

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