Urteil gegen Wien zeigt Mängel bei Transparenz
Die Stadt handelt mit Geheimhaltung sogar dem Urteil eines Höchstgerichts zuwider
Begonnen hat alles mit dem Informationsbedürfnis der Stadt Wien: Im Jahr 2016 hat die Stadtregierung alle ihre Mitarbeiter befragt, wo man in der Verwaltung Geld sparen könnte. Der damalige Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) präsentierte das Ergebnis: 1200 Vorschläge seien eingegangen. Doch dann wurde die Stadt schweigsam, wie ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts zeigt.
Denn Markus Hametner, Aktivist vom Forum Informationsfreiheit (FOI), wollte den Wortlaut der Vorschläge wissen – und stellte eine Anfrage nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz. Vier Jahre später kennt er die Texte noch immer nicht. Und das, obwohl ein Höchstgericht schon 2018 erkannt hat, dass die Information im öffentlichen Interesse liegt und Wien diese herausgeben muss.
Zu Beginn erklärte das Magistrat, dass Hametner gar kein Recht auf Information zustünde. Das FOI bekämpfte den Bescheid, der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gab der NGO 2018 in letzter Instanz recht: Die Information liege im öffentlichen Interesse und muss herausgegeben werden. Doch die Stadt veröffentlichte nur eine Liste mit „Kurzbezeichnungen“. Darunter so aussageschwache Titel wie „Beschauarzt entlasten“, „Beendigung von Mitgliedschaften“oder „Reduktion externer Leistungen“. Die Stadt Wien behauptet, Hametners Anfrage sei damit beantwortet worden. Hametner sieht das anders. Er bringt Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wien ein.
Auch Gericht sah Akten nicht
Und das hat jetzt entschieden: Wien muss die Vorschläge herausrücken. Das Magistrat sei seiner gesetzlichen Verpflichtung „offenkundig gezielt nicht nachgekommen“, heißt es im Urteil, das dem STANDARD vorliegt. Darin ist auch zu lesen, dass sogar dem Richter die Einsicht in die Akten verwehrt wurde. Die Stadt Wien kann gegen das aktuelle Urteil Revision einlegen.
Für die Transparenz-Aktivisten belegt der Fall, dass Behörden Informationen von öffentlichem Interesse geheim halten können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Für FOI-Generalsekretär Mathias Huter ist dadurch einmal mehr klar, „dass die Gesetzeslage nicht dazu geschaffen ist, Transparenz, Kontrolle und Nachvollziehbarkeit zu schaffen“. Österreich sei das letzte Land in der EU, in dem es kein Recht auf Zugang zu Informationen bei staatlichen Stellen gebe.
Der Wiener Fall verdeutliche, dass ein eigener Beauftragter für Informationsfreiheit für die Durchsetzung eines solchen Rechts notwendig ist. In den bisherigen Verhandlungen weigerten sich ÖVP, SPÖ und FPÖ stets, eine solche Stelle zu schaffen. Auch im türkis-grünen Regierungsprogramm ist sie nicht vorgesehen.
Hametner plant übrigens schon die nächste Anfrage an die Stadt Wien: Er will wissen, wie viel Zeit und Geld die Nichtbeantwortung seines Antrags gekostet hat.