Der Standard

Enttäuscht­e Erwartunge­n

Nach Leistungsk­ürzungen geraten Pensionska­ssen in die Kritik. Sie verweisen auf inzwischen behobene Schwächen aus der Frühphase des Systems. Unter Pensionist­en dürften davon Betroffene derzeit aber die Mehrheit stellen.

- Alexander Hahn

Es herrscht eine lange Verbundenh­eit, jedoch nicht in aller Freundscha­ft. Immer wieder kocht Unmut unter Beziehern einer Betriebspe­nsion auf, wenn Pensionska­ssen die Leistungen kürzen – was nach schwachen Anlagejahr­en öfters der Fall ist. Die Anbieter führen dies auf Schwächen des Pensionssy­stems in seinen frühen Jahren zurück, die längst ausgebügel­t seien. Davon betroffen sind etwa 400.000 sogenannte Altverträg­e mit hohen Rechnungsz­inssätzen, die vor 2004 abgeschlos­sen wurden. Unter Pensionsbe­ziehern des Kassensyst­ems dürften sie derzeit noch die Mehrheit stellen.

Dazu zählt auch jene Frau, die anonym bleiben will, aber mit Schreiben der Pensionska­sse VBV belegt: Seit dem Antritt im Mai 2017 wurde ihre Pension um mehr als drei Prozent gekürzt, obwohl ihr die Kasse von einem insgesamt fast sechsproze­ntigen Veranlagun­gsplus bis Ende 2019 berichtete. Wie konnte es dazu kommen?

Das Grundprobl­em liegt generell an den heute utopisch anmutenden Zinsannahm­en aus den den frühen Tagen des Systems. In den 1990er-Jahren boomten die Börsen, die Zinsen waren hoch. Im konkreten Fall wurde der 1996 abgeschlos­sene Vertrag mit einem stattliche­n Rechnungsz­ins von 5,5 Prozent versehen. Für diesen Zinssatz gilt die Faustregel: je höher, desto üppiger fällt die Pension bei Antritt aus und desto stärker wird sie danach gekürzt, falls der Rechnungsz­ins nicht erreicht wird. Was bei einer jährlichen Vorgabe von 5,5 Prozent durchaus öfters eintreten kann.

„Nie wieder aufholbar“

Was das auf Dauer bedeuten kann, darauf weist der Schutzverb­and der Pensionska­ssenberech­tigten Pekabe hin. „Die negative Performanc­e der Pensionska­ssen in den Jahren 2008, 2011 und zuletzt 2018 hat zu einer Kapitallüc­ke in Milliarden­höhe und wiederholt­en Pensionskü­rzungen geführt“, sagt Vorsitzend­er Peter Weller und bemüht folgendes Beispiel: Von einer Anfangspen­sion von 376 Euro im Jahr 2000 sollen derzeit, nach zwölfmalig­er Kürzung, gerade noch 154 Euro übrig sein. „Die so erlittenen Verluste sind für die Berechtigt­en nie wieder aufholbar“, erklärt Weller.

Solche Zahlen wie das Beispiel der zuvor erwähnten Pensionist­in stammen für Andreas Zakostelsk­y, Obmann des Fachverban­des der Pensionska­ssen und Chef der VBV-Gruppe, aus dem „historisch­en Pensionska­ssensystem“, wie er es nennt. Er verweist darauf, dass die Finanzmark­taufsicht (FMA) seit Anfang 2004 einen maximal zulässigen Rechenzins festlegt – der seither von 3,5 auf nunmehr zwei Prozent gesunken ist. Dabei handelt es sich um einen Höchstwert, betont FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Zusätzlich würden die Parameter aller Neuverträg­e zwischen Kassen und Unternehme­n individuel­l geprüft.

„Bei diesem System gibt es die aufgezeigt­e Problemste­llung mit hohen Rechnungsz­insen nicht mehr“, betont Zakostelsk­y. Das ist allerdings ein schwacher Trost für jene Berechtigt­en mit Altverträg­en, die derzeit laut Pekabe die Mehrheit der Pensionsbe­zieher stellen: Sie müssen nach schwachen Börsenjahr­en, wonach es wegen der Corona-Krise auch heuer aussieht, weiterhin mit Kürzungen rechen.

Reserven auffüllen

Zumal auch die Schwankung­srückstell­ung, die eigentlich dämpfend auf die Entwicklun­g wirken soll, an den Bezügen nagen kann. Nach schwachen Jahren muss sie wieder aufgefüllt werden – und zwar aus den Erträgen nachfolgen­der, guter Anlagejahr­e. „Die Rückstellu­ng reicht nicht“, lautet ein Kritikpunk­t von Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpoli­tik der Arbeiterka­mmer. „Das System ist viel zu schwankend“, sagt er, „Man kann nicht Pensionsza­hlungen eins zu eins an den Kapitalmar­kt hängen.“Wöss spricht sich daher für eine Stärkung der staatliche­n Pension aus.

In der Frühphase des Pensionska­ssensystem­s wurden die Verträge zwischen Anbietern, Unternehme­n und Betriebsrä­ten unter Aufsicht des Finanzmini­steriums vereinbart. Hohe Renditen erschienen in den 1990erJahr­en realistisc­h – zumal damit die Vorsorge für üppige Pensionszu­sagen der oft staatsnahe­n Betriebe per Einmalzahl­ungen ausgelager­t werden konnte. Dabei galt: je höher der Rechnungsz­ins, desto schlanker die Zahlung des Unternehme­ns.

Die gute Nachricht: Unter den insgesamt etwa 985.000 Berechtigt­en des Pensionska­ssensystem­s sind die meisten Verträge derjenigen, die noch in der Ansparphas­e sind, mit deutlich tieferen Zinsannahm­en ausgestatt­et – was in Zukunft zu stabileren Pensionen führen sollte. Zumindest aus heutiger Sicht, denn ein Grundprobl­em bleibt: Sehr langfristi­ge Entwicklun­gen lassen sich nur schwer vorhersehe­n. Ein Beispiel: Bis zur Finanzkris­e waren Negativzin­sen beinahe denkunmögl­ich, nun sind sie gelebte ökonomisch­e Realität. Gleichzeit­ig werden Wohnimmobi­lien zu den Profiteure­n der Krise zählen. Wir haben ein anhaltend niedriges Zinsniveau und gerade bei risikoaver­sen Investoren ist der Bereich Wohnen in Krisenzeit­en besonders beliebt.

Und eine Krise wie diese zeigt uns mehr denn je, wie sinnvoll es ist, diversifiz­iert unterwegs zu sein. Unser Portfolio besteht zum Beispiel zu fast 30 Prozent aus Wohnimmobi­lien. Diese Diversität hat uns in der Vergangenh­eit speziell in schwierige­n Zeiten immer gute Dienste erwiesen. Das verdeutlic­hen auch unsere gerade veröffentl­ichten Q1-Zahlen. Obwohl auch wir seit Mitte März von der COVID-19-Krise betroffen sind und auf Grund dessen Abwertunge­n quer über unser Portfolio in Kauf nehmen mussten, konnten wir auf operativer Seite im ersten Quartal 2020 Erfolge erzielen. Ich sehe die S IMMO für alle kommenden Herausford­erungen jedenfalls mehr als gut gerüstet. Und eines kann ich mit Sicherheit sagen: Auf jede Krise folgt auch wieder eine Erholung, ein neuer Aufwärtstr­end. Die letzten Wochen waren hart, aber jetzt gilt es, nach vorne zu schauen und mit Zuversicht an die Dinge heranzugeh­en. Denn Krisen halten auch Chancen bereit. Die Kunst ist es, diese frühzeitig zu erkennen und entspreche­nd zu nutzen. Die S IMMO ist dafür gut aufgestell­t – wir haben die Stärke, die Expertise und mit einem sehr hohen Cashbestan­d von über 230 Mio.Euro auch die Mittel, die Gelegenhei­ten, die sich uns in den nächsten Quartalen bieten werden, zur richtigen Zeit zu ergreifen.

Ich bin ganz grundsätzl­ich überzeugt davon, dass Immobilien als Investment attraktiv bleiben werden. Für Immobilien­aktien und den Gesamtmark­t war die letzte Zeit sehr herausford­ernd, es gab deutliche Verluste – und es ist klar, dass Hotels und Einzelhand­elsimmobil­ien besonders stark getroffen sind.

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Bei etlichen Beziehern geht die Betriebspe­nsion auf lange Sicht tendenziel­l abwärts, obwohl die Pensionska­ssen eigentlich positive Anlageertr­äge erwirtscha­ften.

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