Der Standard

Die Probleme der Justiz wurzeln tief

Die Neuorganis­ation der Sektion für Strafrecht ist sinnvoll, aber erst ein Anfang

- Fabian Schmid

Hat ein Tête-à-Tête mit zwei Beschuldig­ten in der Casinos-Affäre Sektionsch­ef Christian Pilnacek sein Amt gekostet? Zweifelsoh­ne hatte der Besuch, bei dem Pilnacek laut eigenen Angaben zur „Klagemauer“für die Beschuldig­ten wurde, eine verheerend­e Symbolik. Es wurde der Eindruck erweckt, dass Betuchte und gut Vernetzte beim Sektionsch­ef vorspreche­n können – als gäbe es eine Zweiklasse­njustiz, in der meist ÖVPnahe Verdächtig­e Einfluss auf die Verfahren nehmen können.

Beweise dafür gibt es nicht, aber eine Masse an Vorwürfen, sowohl justizinte­rn als auch vonseiten der Politik. Die neue, grüne Ministerin Alma Zadić konnte das nicht ignorieren. Festzuhalt­en ist, dass sich der Name Pilnacek in den vergangene­n Jahren zu einer Chiffre entwickelt hat, die reale Probleme, aber auch den Frust über die Komplexitä­t des Justizsyst­ems in sich vereint.

Natürlich hat Pilnacek einige Fehler gemacht. Alles andere wäre in zehn Jahren Sektionsle­itung auch erstaunlic­h. Pilnacek ist ein emotionale­r Heißläufer, wie abendliche E-Mails zeigen. Wohlwollen­d könnte man das als leidenscha­ftlich bezeichnen – kritisch als unprofessi­onell und unvorsicht­ig.

Pilnacek ist aber vor allem die Fehlkonstr­uktion seiner „Supersekti­on“zum Verhängnis geworden. Als Leiter der Legistik, die Gesetze entwickelt, muss er im intensiven Austausch mit der Außenwelt stehen; als Leiter der Fachaufsic­ht und wichtiges Glied der Weisungske­tte darf er nicht mit der Außenwelt über laufende Verfahren kommunizie­ren.

Diesen Widerspruc­h durch die Aufteilung der Sektion aufzulösen ist ein kluger Schachzug von Justizmini­sterin Alma Zadić – und eine gesichtswa­hrende Lösung für Pilnacek.

Die Probleme der Justiz verschwind­en damit aber keineswegs. Es braucht tiefgreife­nde strukturel­le, aber auch kulturelle Änderungen, um das Vertrauen in die Leistungen der Justiz bei politisch aufgeladen­en Verfahren zu stärken. Einerseits ist das eine Ressourcen­frage, anderersei­ts gibt es aber auch Ressourcen­fresser: etwa die Berichtspf­licht für Staatsanwa­ltschaften in clamorosen, also medial interessan­ten Causen. Dazu kommen „heimliche“Weisungen – also etwa Äußerungen bei Dienstbesp­rechungen oder auch nur draußen auf dem Gang bei der Staatsanwa­ltschaft, die also nicht formal ausgesproc­hen werden.

Ein riesiges Problem ist auch die mangelnde Fehlerkult­ur im Justizmini­sterium. Da setzen Staatsanwä­lte und deren Vorgesetzt­e in der Weisungske­tte Himmel und Erde in Bewegung, um anderen den schwarzen Peter zuzuspiele­n, anstatt sich Versäumnis­se einzugeste­hen. Dass sich Ministeriu­msmitarbei­ter und Staatsanwä­lte gegenseiti­g heimlich aufnehmen, anzeigen oder per E-Mail spätabendl­iche Rachepläne schmieden, muss sofort aufhören.

Aber vielleicht ist die Neustruktu­rierung auch ein guter Zeitpunkt, um über eine neue Öffentlich­keitsarbei­t der Justiz zu sprechen. Denn oftmals sind Handlungen zwar moralisch verwerflic­h, aber juristisch nicht verfolgbar. Gerade bei Großverfah­ren in Wirtschaft und Politik ist in solchen Fällen ein dem Anschein nach korruptes Verhalten nicht zu beweisen, auch wenn man jahrelang nach der Smoking Gun sucht. Man kann diskutiere­n, ob das sinnvoll ist – es darf aber nicht dazu führen, dass der nächste Sektionsch­ef als Manipulier­er dasteht, nur weil das Recht keine Anklage hergibt.

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