Der Standard

Macht braucht Transparen­z

- Sebastian Fellner

Die Geschichte der Informatio­nsfreiheit in Österreich ist eine Geschichte der Eventualit­äten: Gäbe es ein solches Recht auf Auskunft von staatliche­n Stellen, wären einige Korruption­sskandale wohl gar nicht erst passiert, weil die Gefahr des Auffliegen­s eklatant höher gewesen wäre. Hätten die bisherigen Regierungs­parteien ein echtes Interesse an Transparen­z, wäre ein solches Informatio­nsfreiheit­sgesetz schon längst in Kraft. Es bleibt beim Konjunktiv, denn nach wie vor herrscht in Österreich das Amtsgeheim­nis.

Nun ist mit den Grünen erstmals eine Partei, die ein glaubhafte­s Interesse an der Informatio­nsfreiheit bewiesen hat, Teil der Bundesregi­erung. Das Transparen­zkapitel im türkis-grünen Regierungs­programm kam die Grünen teuer zu stehen, es kostete schmerzhaf­te Kompromiss­e im Bereich Migration und Menschenre­chte. Wenn das Informatio­nsfreiheit­sgesetz kommt, muss es also Hand und Fuß haben, damit die Grünen etwas politische Restwürde behalten können.

Auch das könnte sich als Eventualit­ät erweisen. Denn was unter Türkis-Blau für die ÖVP an Regierungs­vorhaben unbequem war, wurde für das Ende der Legislatur­periode geplant – und dann durch Neuwahlen verhindert.

Für die Verfasser des geplanten Informatio­nsfreiheit­sgesetzes lohnt es sich, den aktuellen Fall mit der Stadt Wien, in dem es um Sparideen ihrer Mitarbeite­r geht, genau zu studieren: Da reichte nicht einmal ein höchstgeri­chtliches Urteil, um die Behörde zur Offenlegun­g zu bewegen. In den Verhandlun­gen für das lange angekündig­te Transparen­zgesetz sprachen die großen Parteien immer davon, dass das Recht auf Informatio­n ja von den Gerichten durchgeset­zt werden könne. Nun zeigt sich, dass dem nicht so ist.

Neben scharfen Sanktionen für staatliche Geheimnisk­rämer wird nun auch für alle ersichtlic­h, dass es eine unabhängig­e, spezialisi­erte und mit umfangreic­hen Befugnisse­n ausgestatt­ete Stelle geben muss, die Bürgern und Journalist­en zu ihrem Recht auf Informatio­n verhilft.

Die Corona-Krise hat die Prioritäte­n im Regierungs­programm ordentlich durcheinan­dergewirbe­lt. Das Transparen­zpaket darf dadurch aber nicht verzögert werden – zumal es keine nennenswer­ten Kosten verursacht. Wenn der gesamten Bundesregi­erung die Informatio­nsfreiheit ein echtes Anliegen ist, beinhaltet das Paket auch einen eigenen Beauftragt­en. Aber das ist wieder eine Eventualit­ät.

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