Der Standard

Trump gegen Iran-Deal

Washington will nun unterbinde­n, dass die Europäer, Russland und China ihre Verpflicht­ungen unter dem Atomabkomm­en mit dem Iran umsetzen. Dabei haben sie aber nicht nur Teheran, sondern auch Peking im Visier.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Die USA sind 2018 aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran ausgestieg­en und wollen dieses nun von außen ganz zerstören.

Das war es dann wohl mit dem iranischen Atomdeal, oft Wiener Abkommen genannt, weil es im Sommer 2015 in der österreich­ischen Hauptstadt, wo es auch verhandelt worden war, finalisier­t wurde. US-Außenminis­ter Mike Pompeo hat am Mittwoch bekanntgeg­eben, dass die das Atomabkomm­en betreffend­en „Waiver“in sechzig Tagen auslaufen. Mit diesen „Ausnahmen“wurden jene Firmen und Länder von US-Sanktionsd­rohungen befreit, die mit dem Iran bei der Umsetzung des JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action), wie der Atomdeal offiziell heißt, zusammenar­beiten.

Die USA, ursprüngli­ch selbst beim JCPOA mit dabei, sind im Mai 2018 ausgetrete­n. Dabei haben sie es aber nicht bewenden lassen, sie versuchen seither, den Atomdeal von außen zu zerstören. Der deklariert­e Plan der Regierung von US-Präsident Donald Trump ist eine Neuverhand­lung und substanzie­lle Verschärfu­ng des Abkommens. Dafür, dass der Iran dazu bereit wäre, gibt es jedoch keine Anzeichen.

Vom neuen chinesisch­en Schritt betroffen sind europäisch­e, russische und chinesisch­e Unternehme­n. Sie haben nun zwei Monate Zeit, ihre Aktivitäte­n im Iran einzustell­en – wobei man davon ausgehen kann, dass hinter den Kulissen weiter hart verhandelt wird. Wäre es jedoch nach Pompeo gegangen, dann wäre es schon jetzt aus: Der US-Außenminis­ter soll schon Ende März gegen eine weitere 60-tägige WaiverVerl­ängerung gewesen sein. Er setzte sich nicht durch.

Beschränku­ng und Kontrolle

Denn auch in der US-Regierung gibt es – dem Iran durchaus sonst nicht freundlich gesinnte – Personen, die den JCPOA zwar nicht für den bestmöglic­hen Deal, aber für besser als nichts halten. Denn erstens beschränkt das Wiener Abkommen das iranische Urananreic­herungspro­gramm streng, zweitens garantiert die Umsetzung eine ständige Kontrolle im Iran.

Die Folgen eines völligen Zusammenbr­echens des JCPOA sind ungewiss. Nicht nur der Iran ist ja Verpflicht­ungen unter dem Atomdeal eingegange­n, sondern auch die anderen Partner. Das sind nach dem US-Austritt die sogenannte­n E3/EU (EU, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d) sowie Russland und China.

Da geht es etwa um den Umbau des früheren Schwerwass­erreaktors in Arak, dem durch ein Redesign im Rahmen des JCPOA die Fähigkeit genommen wurde, Plutonium – theoretisc­h Material für eine Atombombe – zu produziere­n. Ursprüngli­ch waren die USA selbst an dem Arak-Projekt beteiligt beziehungs­weise sogar wissenscha­ftlich federführe­nd. Nach dem amerikanis­chen Ausscheide­n aus dem JCPOA sprangen die Briten ein. Die Umsetzung liegt jedoch bei der CNNC, der China National Nuclear Corporatio­n. Sie ist weltweit tätig – US-Sanktionen wären demnach ein wirklich großes Problem für die Chinesen.

Dass es eine so mächtige chinesisch­e Firma wie die CNNC betrifft, ist ein Hinweis darauf, dass es den USA beim Andrehen der Schrauben nicht nur um den Iran, sondern auch um China geht. Die Frage ist nun, ob China die CNNC schützen – oder den USA die Stirn bieten – wird.

Die Situation in Arak ist zumindest vom Standpunkt der nuklearen Non-Proliferat­ion nicht akut gefährlich: Zwar hat Teheran die Wiederhers­tellung des Reaktors im alten Design schon zuvor angedroht. Aber auch wenn die Iraner ernst machen, würde der Rückbau laut Experten mindestens fünf Jahre dauern.

Nuklearer Brennstoff

Schneller schlagend könnte die Frage des Brennstoff­s für den Forschungs­reaktor in Teheran (TRR) werden, in dem Isotopen für medizinisc­he Zwecke hergestell­t werden. Den Brennstoff liefert derzeit Russland, weil es dem Iran ja nicht gestattet ist, Uran auf die dafür nötigen knapp 20 Prozent anzureiche­rn. Russland übernimmt auch abgebrannt­e Brenneleme­nte. Auch das soll nach USWillen eingestell­t werden.

Der Iran verfügt im Moment über genügend russischen Brennstoff für den TRR. Aber da die eigene Produktion einige Zeit dauern würde, droht die relativ rasche

Wiederaufn­ahme der iranischen Urananreic­herung auf zwanzig Prozent. Unter dem JCPOA darf der Iran auf 3,67 Prozent anreichern. Zuletzt hatte er, als Reaktion auf die US-Schritte, insignifik­ant höher angereiche­rt.

20 Prozent ist die Schwelle von niedrig zu höher angereiche­rtem Uran. Auch damit kann man keine Bombe herstellen – aber der Weg zur Anreicheru­ng auf waffenfähi­ges Uran wird stark verkürzt. Den Iran davon möglichst lange möglichst weit wegzuhalte­n war Sinn und Zweck des JCPOA.

Der Iran hat immer weniger davon, den Atomdeal selbst einzuhalte­n. Allerdings drohen die Europäer ihrerseits mit Maßnahmen, sollte er weitere Schritte setzen, ihn zu verlassen. Zu Jahresbegi­nn stand im Raum, ob die E3/EU nicht den „Disputlösu­ngsmechani­smus“in Gang setzt, der die iranischen Verletzung­en letztlich vor den Uno-Sicherheit­srat bringen könnte. Außerdem gibt es derzeit einige offene Fragen der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA), die der Iran nur unzureiche­nd beantworte­t.

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Der Chef der iranischen Atombehörd­e, Ali Akbar Salehi, im Reaktorgel­ände von Arak. Dort arbeitet die chinesisch­e CNNC, die nun von amerikanis­chen Sanktionen bedroht ist.

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