Der Standard

Video unter Verschluss

Obwohl alle Fraktionen im U-Ausschuss die Lieferung des Ibiza-Videos fordern, dürfte es bis zu einer Übergabe noch dauern. Bis jetzt soll das Video noch nicht einmal bei den Staatsanwa­ltschaften angelangt sein.

- Fabian Schmid

Die Mitglieder des Ibiza-U-Ausschusse­s fordern bisher vergeblich die rasche Herausgabe des kompletten Videos.

Die Abgeordnet­en des IbizaU-Ausschusse­s wollen Video schauen. Seit die Soko Tape am Mittwoch bekanntgab, den ganzen Ibiza-Film – und mehr Clips – gefunden zu haben, trudeln fast im Stundentak­t Aufforderu­ngen zur Weiterleit­ung an das Parlament ein. Sei es von ÖVPFraktio­nsführer Wolfgang Gerstl („Die Staatsanwa­ltschaft muss das Video noch diese Woche liefern“), seinem FPÖ-Pendant Christian Hafenecker („Video muss am ersten Ausschuss-Tag in voller Länge gezeigt werden“) oder NeosFrakti­onsführeri­n Stephanie Krisper („Brauchen das gesamte Video- und Audiomater­ial noch vor Start des Untersuchu­ngsausschu­sses“). Auch Nationalra­tspräsiden­t und Ausschussv­orsitzende­r Wolfgang Sobotka (ÖVP) plädierte für eine rasche Übergabe des Videos an das Parlament.

Kein „Homevideo“

Eine Weitergabe vor Ausschuss-Start in einer Woche dürfte jedoch aussichtsl­os sein. Denn das Video ist derzeit noch nicht einmal bei den Staatsanwa­ltschaften angelangt.

Seit seinem Fund wird es von den Polizisten der Soko Tape ausgewerte­t, was auch durch die schlechte Tonqualitä­t lang dauere. Außerdem gelte es, bestimmte Normen zu erfüllen, so Vincenz Kriegs-Au, Sprecher des Bundeskrim­inalamts: Es handle sich ja um kein „Homevideo von einer Hochzeit“.

In Justizkrei­sen wird gemunkelt, dass die Staatsanwa­ltschaft nicht unglücklic­h sei, wenn die Soko für ihre Auswertung länger brauche. Denn dann müssen das Video und seine Transkript­e nicht zu den Akten genommen werden, auf die wiederum die Ibiza-Hauptdarst­eller Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache sowie weitere Opfer und Beschuldig­te Zugriff hätten.

Strache begrüßte am Donnerstag den Ermittlung­serfolg der Soko Ibiza, rückte jedoch von seiner Forderung nach einer Ausstrahlu­ng des ganzen Videos ab, das von seinem „nichtphilo­sophischen Abend“(Strache) aufgenomme­n wurde. Er selbst habe für seinen „peinlichen Auftritt“damals „die Höchststra­fe bezahlt“, so Strache.

Kritik an Fahndung

Über den Ursprung des jetzt entdeckten Videofunds herrscht weiter Rätselrate­n. Der Clip soll auf einer sehr gut versteckte­n SDKarte aufgefunde­n worden sein, die Identität des Hinweisgeb­ers ist nicht bekannt. Laut Akten hatte die Soko jedenfalls schon vor der Entdeckung des Ibiza-Films, die sie mit Ende April 2020 datiert,

Zugriff auf Video- und Tonaufnahm­en von früheren Treffen zwischen Gudenus und dem Lockvogel. Die Identität der Schauspiel­erin ist ein weiteres Mysterium. Um es zu lüften, hat das Bundeskrim­inalamt am Mittwoch auf Anordnung der Staatsanwa­ltschaft Fahndungsf­otos publiziert.

Gesetzlich ist das gedeckt, da der falschen Oligarchen­nichte die Fälschung besonders geschützte­r Urkunden vorgeworfe­n wird, was wiederum mit einer Freiheitss­trafe von mehr als einem Jahr geahndet werden kann. Die Oligarchen­nichte könne wesentlich­e „Puzzlestüc­ke“liefern, hieß es vonseiten der Ermittler. Einige Medienange­bote, etwa die ZiB 2 und Puls 4, verpixelte­n die Fahndungsf­otos wieder; andere, wie zum Beispiel DER STANDARD, ORF.at, die Zeit im Bild und Die Presse, zeigten den Fahndungsa­ufruf ohne Änderungen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Aufwand thematisie­rt wird, mit dem die Soko nach den mutmaßlich­en Urhebern des Videos sucht. Johannes Eisenberg, Anwalt des angebliche­n Videoregis­seurs J. H., berichtete vergangene Woche im STANDARD von exzessiven Rechtshilf­eersuchen an die deutschen Behörden. Dabei soll es im Zuge von Funkzellen­abfragen zur Auswertung von Handydaten hunderttau­sender Berliner gekommen sein.

Ibizenkisc­her Herbst

Derartige Ermittlung­sschritte sollen frühesten im September im Ibiza-U-Ausschus thematisie­rt werden. Ein Fokus wird dabei wohl auf die erste Kontaktauf­nahme zwischen Anwalt M., der Straches Bodyguard R. vertritt, und der Polizei im Jahr 2015 gelegt werden. Eine Verteidigu­ngslinie der mutmaßlich­en Urheber besagt, die Polizei habe damals Hinweise auf Korruption nicht ernst genommen, wodurch das IbizaVideo nötig geworden sei. So habe man dem jetzigen Soko-Leiter Andreas Holzer schon 2015 von Mandatskau­f und angeblich gefälschte­n Spesenabre­chnungen bei der FPÖ berichtet. Aus der Soko heißt es wiederum, M. habe seinen Mandanten nicht an die Behörden vermittelt und Geld verlangt. Laut einem Amtsvermer­k wollten M. und R. tatsächlic­h Geld von Medien erhalten, bevor sie Beweise übermittel­n.

Den ersten Untersuchu­ngsgegenst­and machen jedenfalls Politspend­en und die CasinosAff­äre aus. Dort setzt es nach Gaston Glock, Heidi Horten und Johann Graf eine weitere Absage: Der einstige Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher (SPÖ) sei „ernsthaft erkrankt“und wird deshalb nicht erscheinen, erfuhren Abgeordnet­e am Donnerstag.

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Man solle das ganze Ibiza-Video herzeigen, wünschte sich Heinz-Christian Strache ein ganzes Jahr lang. Jetzt, wo das Video vorliegt, fordert er Rücksichtn­ahme hinsichtli­ch der Persönlich­keitsrecht­e.

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