Der Standard

Chaos bei der AfD

Wegen seiner früheren Kontakte ins rechtsextr­eme Milieu hat die AfD Andreas Kalbitz aus der Partei geworfen. Doch dieser wehrt sich nun juristisch und sammelt seine Truppen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Nach dem Parteiauss­chluss von Andreas Kalbitz und internem Streit driftet die deutsche AfD nach ganz rechts.

Der Weg zu seinem Arbeitspla­tz hat sich für Andreas Kalbitz nicht geändert. Nach wie vor betritt der 47-Jährige den Brandenbur­ger Landtag und geht dort weiter in sein Büro in der AfD-Fraktion.

Das darf er, obwohl er vor kurzem aus der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) ausgeschlo­ssen worden ist. Eigentlich hätte er damit auch die Zugehörigk­eit zur Fraktion verloren. So sah es bis vor wenigen Tagen die Geschäftso­rdnung vor, es durften nur Parteimitg­lieder in der Fraktion sein.

Doch die Regeln wurden flugs geändert, wobei die Zustimmung bei der AfD im Landtag 90 Prozent betrug. Zwar führt Kalbitz nicht mehr die Landtagsfr­aktion, kann aber dennoch erklären: „Die AfDFraktio­n Brandenbur­g steht sehr stabil.“Er verbucht dies als seinen ersten Sieg nach dem Rauswurf.

Dieser war vom Bundesvors­tand der AfD beschlosse­n worden, nachdem bekannt geworden war, dass Kalbitz zu seiner Partei nicht ehrlich gewesen war. Er hatte verschwieg­en, dass er in den Neunzigerj­ahren Mitglied der mittlerwei­le verbotenen rechtsextr­emen Heimattreu­en Deutschen Jugend (HDJ) war.

Sie zählt zu jenen Organisati­onen, die auf der Unvereinba­rkeitslist­e der AfD stehen. Zudem missfiel dem Parteivors­tand, dass Kalbitz seine Mitgliedsc­haft bei den Republikan­ern in den Neunzigerj­ahren nicht deklariert hatte. Die Entscheidu­ng im Führungsgr­emium der Partei fiel mit sieben zu fünf Stimmen, es gab außerdem eine Enthaltung.

Initiator des Rauswurfs ist Jörg Meuthen aus Baden-Württember­g, der gemeinsam mit Timo Chrupalla aus Sachsen die AfD führt. Meuthen zählt zu den noch Gemäßigter­en in der Partei, er sieht sie als bürgerlich­e Alternativ­e zur Union und möchte sie auch so positionie­ren.

Ein Dorn im Auge ist ihm seit längerem der völkische Flügel, der von Thüringens AfD-Chef Björn

Höcke 2015 ins Leben gerufen und seit März 2020 vom Verfassung­sschutz beobachtet wurde. Mittlerwei­le gilt der Flügel – auch auf Druck von Meuthen – als aufgelöst. Eine der Führungsfi­guren war zuletzt der in Ostdeutsch­land sehr gut vernetzte und auch anerkannte Kalbitz.

Scheinaufl­ösung des Flügels

Allerdings spricht der Verfassung­sschutz in Brandenbur­g von einer „Scheinaufl­ösung“des Flügels. Der rechtsextr­emistische Geist herrscht bei vielen AfD-Mitglieder­n immer noch vor.

Den Flügel hat sich Kalbitz nehmen lassen, den Rauswurf aus der Partei will der Höcke-Intimus, der aus München stammt und als freier IT-Berater tätig war, aber nicht auf sich sitzenlass­en.

Er wehrt sich nun gleich doppelt. Zum einen ruft er das Bundesschi­edsgericht der AfD an und geht gegen den Ausschluss vor. Außerdem prüft sein Anwalt zivilrecht­liche Klagen.

Kalbitz bestreitet auch, Mitglied der HDJ gewesen zu sein. Was er damals, 2013, beim Eintritt in die AfD angab, kann nicht mehr überprüft werden, da sein Aufnahmean­trag verschwund­en ist.

Doch es soll beim Verfassung­sschutz eine Mitglieder­liste der HDJ geben, auf der eine „Familie Andreas Kalbitz“aufgeführt ist. Kalbitz klagt mittlerwei­le auf Herausgabe der Unterlagen.

Diese juristisch­e Klärung hätte man vor einem Rauswurf abwarten sollen, meinen jene, die gegen eine Aberkennun­g der Mitgliedsc­haft gestimmt haben. Das sind so einflussre­iche Personen wie Fraktionsc­hefin Alice Weidel und Meuthens Co-Parteichef Chrupalla. Beide werden nicht dem Flügel zugerechne­t, haben sich aber mit ihm engagiert. „Durch den Parteivors­tand und auch durch viele Landesverb­ände zieht sich jetzt ein tiefer Riss. Das ist das Ergebnis einer überhastet­en Aktion, die nur mit einem Teil der Parteivors­tandsmitgl­ieder durchgespr­ochen wurde“, klagt Weidel.

Höcke steht zu Kalbitz

Rückendeck­ung bekommt Kalbitz auch von Höcke. Der sagt: „Die Spaltung und Zerstörung unserer Partei werde ich nicht zulassen, und ich weiß, dass unsere Mitglieder und unsere Wähler das genauso sehen wie ich.“

Parteienfo­rscher weisen darauf hin, dass Kalbitz keine schlechten Karten hat. Ein Rauswurf nämlich könne nicht vom Vorstand ausgesproc­hen werden, sondern müsse mittels Parteiauss­chlussverf­ahrens geklärt werden.

Meuthen hingegen sieht die Vorgangswe­ise rechtlich gedeckt und ist überzeugt davon, dass sich die Unruhe in der Partei wieder legt: „Das wird sich beruhigen. Manchmal muss man eine Geschichte auch mal sacken lassen.“

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Andreas Kalbitz (47) ist zwar nicht mehr Mitglied der Alternativ­e für Deutschlan­d, aber immer noch Teil der AfD-Fraktion im Brandenbur­ger Landtag.

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