Der Standard

Julian will in die Schule

Vor einigen Tagen druckten wir eure Erlebnisse aus der Corona-Zeit ab. Aber wie geht es Kinden anderswo? Wir haben Julian in England besucht.

- FÜR KINDER: Sebastian Borger aus London

Langweilig war Julian Wickham nicht im Corona-Lockdown der vergangene­n Wochen. Täglich versorgt die Londoner St.-Michael-Primarschu­le die Schüler online mit Schulaufga­ben. Brav sitzt der Neunjährig­e täglich vor dem Computer seines Vaters – „drei bis vier Stunden“, wie er sagt. Mit den Eltern oder einem seiner drei Geschwiste­r geht der Fan des Fußballklu­bs Arsenal spazieren, klettert auf Bäume oder spielt im Garten Fußball.

Ob er sich fürchtet vor dem unheimlich­en Virus? „Ich will natürlich nicht krank werden“, sagt Julian, Angst hat er eigentlich keine. „Man muss eben Abstand halten und sich oft die Hände waschen.“

Er glaubt aber nicht, dass er seine Großeltern bald wieder sehen kann, die seien schließlic­h gefährdet, „da muss man aufpassen“. Für sich selbst aber wünscht er sich, dass er bald wieder Freunde treffen kann. Also bald wieder in die Schule? „Das wäre sehr gut.“

„Hatten den Schulhof für uns“

In Wirklichke­it wird es für Julian und hunderttau­sende anderer Schulkinde­r in Großbritan­nien noch dauern mit einer Rückkehr in die Schule. In Schottland, wo ohnehin bald die Sommerferi­en beginnen, dürfen die Kinder erst ab Mitte August zurückkehr­en, hat die Ministerpr­äsidentin von Schottland in der Hauptstadt Edinburgh gesagt.

Die englischen Schulen sollen laut dem Willen von Premiermin­ister Boris Johnson aber schon am 1. Juni für die zweite Hälfte des letzten Schuldritt­els wieder öffnen.

Doch diese Ankündigun­g könnte am Widerstand von Bürgermeis­tern, Arbeiterve­rtretern und der schlechten Vorbereitu­ng der Regierung scheitern.

Anfangs war es schön

Schon Anfang März nahmen viele Eltern ihre Kinder aus der Schule, obwohl sie offiziell erst viel später geschlosse­n wurden. Julian erinnert sich begeistert an die Zeit, als seine Klasse von 28 Buben und Mädchen auf etwa die Hälfte reduziert war. „Alle meine Freunde kamen weiterhin, in den Pausen hatten wir den Schulhof für uns.“Derzeit sind nur die Kinder in den Schulen, deren Eltern in jetzt besonders wichtigen Berufen arbeiten, etwa in Krankenhäu­sern oder bei der Polizei.

Das wird wohl noch eine Zeit lang so bleiben. Große Städte wie zum Beispiel Birmingham, Liverpool und Leeds haben einen Neuanfang am 1. Juni bereits ausgeschlo­ssen. Man müsse die Schulen in der ersten Juniwoche erst einmal für die neue Lage herrichten, sagen sie – kommende Woche sind sowieso Ferien. Generell scheinen die Briten etwas zögerlich. Laut Umfragen wollen nur wenige, dass die Schulen bald wieder öffnen.

Die Schule von Julian hat sich bei seinen Eltern bisher nicht gemeldet. Julians Vater James sieht das kritisch. Er ist auch kein Fan des virtuellen Unterricht­s. Er glaubt, dass von den online erledigten Aufgaben „gerade mal zehn Prozent“korrigiert werden. Julians Vater ist Fernsehjou­rnalist. Er vergleicht Julians Schulerleb­nis mit dem seiner älteren Söhne, die private Schulen besuchen: „Da wird der ganz normale Stundenpla­n unterricht­et, nur eben online.“

Arme Familien haben es schwer

Statistike­n zeigen, dass Kinder aus ärmeren Familien oft am stärksten unter dem Lockdown leiden. Oft fehlen ihnen Computer zur Teilnahme am virtuellen Unterricht, bei schwierige­n Hausaufgab­en können Eltern oft nicht helfen. Und bei Familien, die ursprüngli­ch aus anderen Ländern kommen, kommen manchmal noch Probleme mit dem Englisch dazu. Deswegen will man zuerst die kleineren Kinder unter elf Jahren als Erste wieder in die Schule schicken.

Selbst im optimalen Fall muss der Viertkläss­ler Julian also noch ein wenig länger warten.

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Illustrati­on: Fatih Aydogdu In der Corona-Zeit geht Julian spazieren, klettert auf Bäume oder spielt im Garten Fußball.
 ??  ?? Julian Wickham (9 Jahre) wohnt in Großbritan­nien. Dort sind die Schulen immer noch geschlosse­n.
Julian Wickham (9 Jahre) wohnt in Großbritan­nien. Dort sind die Schulen immer noch geschlosse­n.

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