Der Standard

Aufholjagd im Dienst von Kunst und Kultur

Den Vorgaben zur Wiederaufn­ahme des Kulturbetr­iebs folgt das Abarbeiten diverser Baustellen. Freischaff­enden Künstlern steht jetzt ein 90-Millionen-Euro-Fonds offen.

- Olga Kronsteine­r

Nach wochenlang­em Warten geht es jetzt Schlag auf Schlag: Am Donnerstag verkündete­n Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne), Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) und Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer (Grüne) eine mit 90 Millionen Euro dotierte Überbrücku­ngshilfe für freischaff­ende Künstler. Solche werden bis zu sechs Monate lang monatlich 1000 Euro bekommen. Die Abwicklung läuft über die Sozialvers­icherung der Selbststän­digen (SVS), bei der 15.000 Künstler erfasst sind. Der kleine Haken: Die Anträge dafür können erst ab Juli gestellt werden, da die gesetzlich­e Basis noch fehlt. Den zugehörige­n Gesetzesan­trag brachte man schon nachmittag­s im Parlament ein.

Das Tempo, mit dem sich die Regierung nun plötzlich des heimischen Kulturbetr­iebs und seiner Nöte annimmt, ist durchaus erstaunlic­h. Ganz so, als ob es zuerst einer Eskalation in Form von Ulrikes Lunaceks Rücktritt bedurft hätte, um beim dominieren­den Koalitions­partner Gehör und notwendige finanziell­e Mittel zugesicher­t zu bekommen.

Dass man es nicht allen Vertretern der Branche recht machen kann, zeigt die Reaktion von Kinobetrei­bern, die sich völlig überrumpel­t fühlen. Wie berichtet, erfuhren sie aus der am Mittwoch veröffentl­ichten neuen Covid-19-Lockerungs­verordnung, dass sie theoretisc­h bereits ab Freitag den Betrieb aufnehmen könnten. Die Cineplexx-Geschäftsf­ührer monierten diesen „Schnellsch­uss“, da sie für die Öffnung aller Häuser eine „Vorlaufzei­t von mehreren Wochen“benötigen würden. Die Staatssekr­etärin verwies auf den runden Tisch von vergangene­r Woche, bei dem das Thema gewesen sei. Dazu können „Kinos nicht anders beurteilt werden als Theater“.

Es warten noch mehrere Baustellen auf Andrea Mayer. Mit der Überbrücku­ngshilfe sollte die für selbststän­dige Kunstschaf­fende dringlichs­te bereinigt sein. Sie kämpfen seit Wochen um staatliche Zuschüsse. Trotz laufender Nachjustie­rungen des Härtefallf­onds (HFF) waren und sind sie teils gar nicht anspruchsb­erechtigt oder bekamen nur Kleinstbet­räge zugestande­n, mit denen Lebenshalt­ungskosten nicht gedeckt werden können. Als Hauptprobl­em entpuppte sich das HFF-Berechnung­smodell, das sich an der Umsatzrent­abilität von Steuerbesc­heiden aus den Vorjahren orientiert. Dabei werden antizyklis­che Einkommen – in der Kulturbran­che eher die Norm als die Ausnahme – völlig nivelliert. Auf dem Papier und den WKO-Kriterien entspreche­nd mögen Künstler Ein-PersonenUn­ternehmen sein, ihr berufliche­r Alltag gleicht dennoch nicht jenem eines Tischlers. Da gebe es unterschie­dliche Bedürfniss­e, erkannte der Finanzmini­ster im Zuge der Pressekonf­erenz treffend.

Der auf Künstler aller Gattungen spezialisi­erte Künstlerso­zialversic­herungsfon­d (KsvF) ist wiederum nur für solche Antragstel­ler zuständig, die keinen Anspruch auf Zuschüsse aus dem HFF haben und deren Einkommen zuletzt nicht über rund 60.000 Euro lag. So Betroffene beim KsvF über laufende Zuschüsse zur Sozialvers­icherung noch nicht erfasst waren, gilt es dort eine Verifizier­ung zu durchlaufe­n, ob man die Kriterien der Berufskuri­en erfüllt.

Die vorläufige Bilanz des „Covid-19Fonds“: Seit Anfang April wurden (Stand 22. 5.) rund 2.650 Anträge bearbeitet, 1.795 davon wurden bewilligt. Die vorerst ausbezahlt­e Soforthilf­e summiert sich bisher auf 1,68 Millionen Euro. Rein rechnerisc­h liegt der monatliche Zuschuss folglich bei 940 Euro pro Künstler, mit denen seit Anfang April die Lebenshalt­ungskosten finanziert werden müssen. Die zweite Auszahlung­sphase soll beim KsvF in den nächsten zwei bis drei Wochen beginnen, jedenfalls also noch, bevor Anträge für die neue Überbrücku­ngshilfe gestellt werden können.

Diese versteht sich explizit als zusätzlich­es Instrument, das die bisherigen Maßnahmen der Bundesregi­erung ergänzt. Die Auszahlung erfolge unbürokrat­isch, so das Verspreche­n. Aus dem HFF oder vom KsvF bezogene Zuschüsse werden gegen gerechnet. Der Alltag von Kunstschaf­fenden ist teils unveränder­t geblieben: Viele haben noch immer Berufsverb­ot, fast alle keine Einnahmen. Selbst bildende Künstler stehen vor dem Problem, dass „die Leute derzeit andere Sorgen als Kunstkäufe“haben, wie die Staatssekr­etärin kundig feststellt­e.

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Plötzlich geht es schnell: Finanzmini­ster Blümel (ÖVP), Vizekanzle­r Kogler (Grüne) und Kulturstaa­tssekretär­in Mayer (Grüne) richteten Überbrücku­ngsfonds ein.

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