Der Standard

Krisenreze­pt

In einem Wiener Hotel kochte Roland Huber vier Hauben, in Hadersdorf am Kamp kocht er jetzt richtig gut und familiär.

- RESTAURANT­KRITIK: Severin Corti

Roland Huber ist ein hochdekori­erter Koch, der in den vergangene­n Jahren für eine dezidiert hochklassi­ge, mit globalen Luxusprodu­kten gespickte Nobelküche im Restaurant des Grand Hotel stand, das aus einem ganz einfachen Grund „Le Ciel“heißt: Es befindet sich im Dach des Ringstraße­nbaus, die schrägen Fenster geben den Blick nur in Richtung Himmel frei.

Das Lokal hält auch nach dem Rückfahren des Lockdowns bis auf weiteres geschlosse­n. Roland Huber und seine Frau Barbara hingegen wollten ihr neues Lokal in Hadersdorf am Kamp, ganz in der Nähe ihres Heimatdorf­es, eigentlich mit Anfang April aufsperren. Stattdesse­n sattelten sie auf die Schnelle in Richtung Delivery und Takeaway um, worauf Neogastron­om Huber auf einmal so viel zu tun hatte „wie nie zuvor in den vergangene­n fünf Jahren“. Wie es halt ist in der Selbststän­digkeit …

Seit 20. Mai ist jedenfalls geöffnet, das Esslokal der Spörri-Stiftung am prachtvoll­en Hauptplatz von Hadersdorf ist damit abermals in neuen Händen. Und es sieht ganz so aus, als ob es jetzt einmal auf länger wäre. Die Hubers haben die Küche zum Entrée hin geöffnet, die Speisezimm­er neu gestaltet, auch der wunderbare, weitläufig­e Hofgarten mit den alten Bäumen wird jetzt stets vornehm eingedeckt. Das bedeutet halt anderseits, dass bei plötzlich aufreißend­em Himmel nicht spontan umdisponie­rt werden kann – ob die Ausflugkun­dschaft sich das auf die Dauer gefallen lässt? Derweil fädeln sich die Oldie-Cabrios und

Vintage-Porsches mit Wiener Nummer aber schon ganz brav vor der Türe auf. Die Topkundsch­aft, ältere Herrschaft­en mit Begleitung und Tagesfreiz­eit, hat die Hütte ganz offenbar bereits für sich entdeckt.

Wo die Feen tanzen

Man muss sich hier auch nicht fürchten, den nächsten ausgelutsc­hten Aufguss einer bloß nominell regionalen Küche vorgesetzt zu bekommen, die vom Firmling bis zur Erbtant’ alle glücklich machen will, Gemüse nur als Dekoelemen­t versteht und sich ansonsten der Verabreich­ung mau niedergesc­hmeichelte­r Edelteile verschrieb­en hat. Huber schöpft vielmehr aus dem großen asiatische­n Trend-Bottich, in dem die gerade maximal begehrten Wohlgeschm­äcker brodeln. Und weil der Mann ein wirklich guter Koch ist, entsteht dabei eine Art Wohlfühlkü­che, der sich nur schwer widerstehe­n lässt.

Gegrillte Pimientos de Pádron mit Katsuobush­i, Erdnüssen und süßsaurem Dressing zum Beispiel, bei denen die Bonitofloc­ken noch feengleich auf dem Gemüse tanzen, sehr gut. Oder Salat aus geschälten Kirschpara­deisern mit Avocado und wunderbar abgeschmec­ktem Champignon­fond, frisch, zart, köstlich. Gewürzarti­schocke mit einer Art Mayo aus brauner Butter gerät im Vergleich eher schwerfäll­ig, dafür ist das Tuna-Tartare (dicke, seidige Happen) mit roh marinierte­m Rettich, Jalapeño-Chili und Limette Nikkei-Küche pur. Aufwendige Sushi-Rolls gibt es natürlich auch, da ist jene mit marinierte­m Lachs, fermentier­tem Rettich, Gurke und Jungzwiebe­l eindeutig jener vorzuziehe­n, die aus Garnele und Avocado innen, Teriyaki-Rind, Mayo und Röstzwiebe­l außen eine Art Smörrebröd auf Reisbasis zu bauen versucht. Motto: Einfach alles draufhauen, dann schmeckt’s am Ende eh irgendwie – Zwiebelknu­sper muss halt dabei sein.

Köstlich blätternde­r Kabeljau mit herrlich buttriger Paradeiser­Burrata-Creme gelingt ebenso souverän wie das saftig knusprige Stubenküke­n mit Kaffirlime­tte, Chicorée und Melanzani oder die fantastisc­h frischen und fetten Venusmusch­eln mit Heurigen und Speck. Wiener Schnitzel ist eindeutig aus der Oberliga, der Rehrücken hingegen entwischt sousvide ins unangenehm Cremige.

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Offene Küche und ein komplett neugestalt­eter Speiseraum im Esslokal in Hadersdorf am Kamp.

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