Der Standard

Toleranz für das Nichtauske­nnen

- Sebastian Fellner

In unsicheren Zeiten geben Regeln vielen Menschen Sicherheit. Das gilt natürlich auch fürs Fernsehen: Der geladene Revolver wird irgendwann abgefeuert, so will es das TV-Gesetz. Wenn man auch sonst nichts im Leben im Griff hat: Das ist klar. Schön.

Da könnte es ungeschick­t erscheinen, dass Dispatches From Elsewhere (streambar über Amazon Prime) gleich zu Beginn mit wichtigen Regeln bricht, wenn der Erzähler die ersten Sekunden gar nichts sagt und dann erklärt, dass sich die Serie den üblichen „Das ist der Protagonis­t und sein norma

„DISPATCHES FROM ELSEWHERE“AUF AMAZON PRIME

les Leben“-Teil zu Beginn spart. Man soll sich bitte einfach schnell mit ihm identifizi­eren. Hopp, weiter geht’s.

Also taucht man in den Plot ein: Hauptdarst­eller und Serienschö­pfer Jason Segel (How I Met Your Mother) gerät aus Neugier in eine gigantisch angelegte Schnitzelj­agd. Oder ist es eine echte Auseinande­rsetzung zweier verfeindet­er Organisati­onen, die unsere Art zu leben auf den Kopf stellen wollen? Man weiß es nicht. Dann hat man eine Vermutung, dann passiert länger nichts, dann steigt man bei der verwirrend­en Handlung kurz aus.

Dispatches From Elsewhere verlangt einem also ganz schön etwas ab, vor allem: Toleranz dafür, keine Ahnung zu haben, was gerade los ist. Bekommt man das hin, kriegt man von der Serie auch genug zurück: lustvolle Spannung und nicht abgehalfte­rte Romantik. Das gilt aber nur, wenn man die Kraft aufbringt, nicht zur gemütliche­n, regelkonfo­rmen Serienkonk­urrenz zu schalten.

dst.at/TV-Tagebuch

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