Aufregung im Buwog-Pozess: Der Anwalt von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser fühlt sich von Gerichtskameras ausspioniert.
Im Buwog-Prozess liefen die Aufnahmegeräte auch in den Pausen, wie am Dienstag bekannt wurde. Die Verteidigung sieht einen Gesetzesbruch, Staatsanwälte orten einen „Sturm im Wasserglas“.
Mit einem Riesentusch der Verteidigung ging am Dienstag der Buwog-Prozess gegen Karl-Heinz Grasser und andere weiter. Der Verteidiger Grassers, Norbert Wess, hatte Anträge auf Ausschließung des gesamten Richtersenats (inklusive Schöffen) vorbereitet und vor Gericht vorgetragen – und zwar wegen verbotener Bild- und Tonaufnahmen während der gesamten bisherigen Verhandlung. Das Gericht habe in dieser Zeit quasi ununterbrochen mitgefilmt und mitgeschnitten, sagte Wess – vor Verhandlungsbeginn und vor allem auch in den Verhandlungspausen.
Wess fuhr starke Geschütze gegen die Justiz auf: Die Anfertigung der Aufnahmen stelle strafrechtlich relevanten Missbrauch von Tonaufnahmen- oder Abhörgeräten, Missbrauch der Amtsgewalt sowie einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz dar. Er sieht darin einen „großen Lauschangriff“, jedenfalls von objektiver Seite. Zur Erklärung: Auf subjektiver Seite ist für die genannten Delikte vorsätzliches Handeln des Täters Voraussetzung, davon geht aber eher niemand aus.
Durchgehende Aufnahme
Tatsächlich nimmt das Gericht Verhandlungstermine „durchgehend“in Bild und Ton auf, das hält die Richterin auch an jedem Prozesstag fest, die Aufnahmen dienen der Unterstützung bei der Protokollführung. Das ist gemäß Strafprozessordnung für die Dauer der Hauptverhandlung erlaubt.
Die Crux dabei: Wess ist laut seiner Darstellung vor Gericht bei Durchsicht der Aufnahmen draufgekommen, dass die Ton- und Bildaufnahmegeräte den ganzen Tag nicht abgeschaltet werden und daher auch in den Pausen weiter aufnehmen. Neben Aufnahmen, die (aus verschiedenen Perspektiven) ein „Viererbild“ergeben, gebe es auch Aufnahmen per „Fischauge“. Auf denen sehe man den gesamten Großen Schwurgerichtssaal inklusive Zuschauer- und Journalistenbereich.
Da sei der Ton besonders gut, weil auch Richtmikrofone mit einer Reichweite von zehn bis 15 Metern verwendet würden. Und so seien zahlreiche streng vertrauliche, lange und intensive Gespräche von Angeklagten mit ihren Verteidigern aufgezeichnet worden, vor allem über Strategien, die weitere Vorgehensweise und anstehende Befragungen – „hochvertrauliche Kommunikation“also. Und alles ohne Wissen der Angeklagten und Verteidiger.
Insgesamt, so hat Wess ausgerechnet, seien 169 Stunden, 30 Minuten und 20 Sekunden außerhalb der Hauptverhandlung unrechtmäßig aufgenommenen worden, „ein erschütterndes Bild“. Die rechtliche Folge, die der Anwalt ableitet: Verletzung des Rechts auf Verteidigung gemäß Strafprozessordnung, Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren gemäß Europäischer Menschenrechtskonvention und Waffengleichheit (er geht davon aus, dass die Staatsanwälte von den durchgehenden Aufnahmen wussten), Verletzung der Verteidigerrechte bis hin zu Missbrauch der Amtsgewalt. Er hat die Vernichtung der Aufnahmen beantragt, will wissen, wer Einsicht hatte – und lehnt den gesamten Richtersenat als befangen ab und beantragt dessen Ausschluss. Grund: Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit. Der gesamte Schöffensenat sei befangen.
Der Staatsanwalt sieht in alldem einen „kleinen Sturm im Wasserglas“, es sei alles rechtens, und es werde auch kommuniziert, dass aufgenommen werde. Grassers Verteidiger gehe es um „Effekthascherei“. Der Präsident des Straflandesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, weist den Vorwurf, dass da ein Lauschangriff erfolgt sei oder gegen Gesetze verstoßen wurde, als absurd zurück. Es sei nicht beabsichtigt gewesen mitzuhören, sagt er auf Anfrage.
Nur Gemurmel
Christina Salzborn, Sprecherin des Straflandesgerichts und auch für den Buwog-Prozess zuständig, betont, dass die Aufnahmen in den Mittagspausen gestoppt würden und die Richterin von Anfang an offengelegt habe, dass die Verhandlung durchgehend aufgenommen werde. Dass die Verteidiger in der Buwog-Causa die Tonund Bildaufnahmen seit Anfang 2018 überhaupt bekämen, sei ein Entgegenkommen des Gerichts und ansonsten unüblich. Sie selbst habe sich nun eines der Bänder angehört, darauf sei nur Gemurmel zu hören. Die Vorwürfe der Verteidiger weist sie zurück.
Die Rechtsanwältin Maria Windhager hält es für „sehr peinlich, wenn so etwas passiert, das zeugt von mangelndem Grundrechtsverständnis beim Umgang mit Ton- und Bildaufzeichnung“. Heimliche Tonaufnahmen seien ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte und das Anwaltsgeheimnis. Zudem müsse man prüfen, ob personenbezogene Daten verletzt wurden.
Am Dienstagnachmittag wurden jedenfalls die Zeugenbefragungen fortgesetzt. An der Reihe waren Ex-Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) und der heutige Volksanwalt Werner Amon (ÖVP). Heute, Mittwoch, geht es weiter. Liveticker Mittwoch ab 9.15 Uhr
Die Statistik Austria hat die umstrittene Vorabübermittlung von Pressemitteilungen an das Kanzleramt ausgesetzt, sagte der neue fachstatistische Generaldirektor Tobias Thomas. „Mir ist wichtig, dass die Unabhängigkeit nicht infrage gestellt und der rechtliche Rahmen eingehalten wird. Das sieht unser Wirtschafts- und Statistikrat genauso.“Daher habe er als erste Amtshandlung eine rechtliche Prüfung der Vorabübermittlungen eingeleitet. „Bis diese Überprüfung abgeschlossen ist, werden wir die Meldungen zeitgleich übermitteln.“Thomas leitet gemeinsam mit Gabriela Petrovic, die für Finanzen zuständig ist, die Statistik Austria.