Der Standard

Tarnen und täuschen bei Österreich­s EU-Beitrag

Finanzmini­ster Gernot Blümel sagt, dass er Brüsseler Vorschläge­n zu EU-Budgetrahm­en und Wiederaufb­au nicht zustimmt, weil das Österreich­s EU-Beitrag „fast verdoppeln“würde. Diese Rechnung ist schlicht falsch.

- ANALYSE: Thomas Mayer aus Brüssel

Gelingt es der Kommission, bis Anfang Juli mit den Regierungs­chefs der 27 Mitgliedss­taaten eine Einigung beim EU-Budgetrahm­enplan bis 2027 samt dem eingebette­ten Wiederaufb­auplan zu erzielen? Es geht um 1100 plus 750 Milliarden Euro. Oder scheitert dieses Vorhaben an „sparsamen vier“Nettozahle­rländern mit Österreich, was zur Folge hätte, dass Hilfen zur Bewältigun­g der Corona-Krise nicht wie geplant ab 1. Jänner nächsten Jahres fließen können? EU-Haushaltsk­ommissar Johannes Hahn hatte vorgerechn­et, dass der Zeitplan ohne Kompromiss bis Juli praktisch nicht zu halten wäre.

Als einer der größten Unsicherhe­itsfaktore­n in Brüssel gilt Österreich, ein kleines Land, das sich seit dem EU-Beitritt 1995 in Sachen EU-Budget eher unauffälli­g verhalten hat. Hatte sich Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im Kreis seiner Kollegen aus den Niederland­en, Dänemark und Schweden als Budgetbeit­ragsbremse­r präsentier­t, signalisie­rte er zwar Bereitscha­ft zu einem „Kompromiss“. Aber sein Finanzmini­ster Gernot Blümel verschärft­e zuletzt den Ton.

Er sagte im Mittagsjou­rnal des ORF-Radios zu den Vorschläge­n der Kommission: „Diesem Paket wird Österreich nicht zustimmen. Warum? Weil die Belastunge­n für den österreich­ischen Steuerzahl­er zu groß sind.“Er zeigte sich für „Nachverhan­dlungen“über Österreich­s EU-Beitrag offen, um aber sofort nachzuschi­eben, dass die Pläne zu Budgetrahm­en und Wiederaufb­au zusammenge­nommen „fast zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung als Beitrag bedeuten, fast doppelt so viel wie in der Vergangenh­eit, und das ist für uns inakzeptab­el“.

Stirnrunze­ln in Brüssel

Diese Aussagen sorgen in Brüssel für Stirnrunze­ln. Dort hat man Verständni­s dafür, dass Mitgliedss­taaten tarnen und täuschen, um sich Vorteile zu verschaffe­n. Aber Blümels Behauptung­en waren derart, dass sie unrichtig sein werden, was immer man aushandelt: Eine Verdoppelu­ng des EU-Beitrags ist mathematis­ch unmöglich.

Das geht so. Österreich ist ein kleiner feiner Nettozahle­r ins EU-Budget. 2018 etwa zahlte Wien netto besonders viel ein (was technische Gründe hat). Man überwies brutto 3,3 Milliarden Euro, von denen knapp 2 Mrd. Euro in Form von EU-Subvention­en wieder zurückflos­sen. Der Nettobeitr­ag machte also 1,34 Mrd. Euro aus, etwas mehr als 0,35 Prozent der Wirtschaft­sleistung (BNE), im EU-Vergleich hoch.

Die Bruttobeit­räge der Staaten liegen bei 0,9 Prozent, den Rest des EU-Budgets auf knapp ein Prozent BNE wird durch EUEigenmit­tel aufgebrach­t. Im EU-Budgetrahm­en 2021 bis 2027, auf den man sich Ende Februar (vor der Corona-Krise) nicht einigen konnte, würde der Beitrag Österreich­s durch den EU-Austritt Großbritan­niens, eines großen Nettozahle­rs, zwar um einige hundert Millionen Euro erhöht. Mit einer von der Kommission in Aussicht gestellten Verlängeru­ng des Beitragsra­batts wäre das aber weit von der von Blümel an die Wand gemalten „Verdoppelu­ng“der Beiträge.

Bliebe die Möglichkei­t, dass der Wiederaufb­auplan, auf den der Minister verwies, Österreich­s Steuerzahl­er so viel Geld kostet, sich in der Laufzeit der Mittelverg­abe von 2021 bis 2024 voll auf das Budget und Österreich­s EU-Beiträge durchschlä­gt. Die Kommission schlägt vor, dass die EU als Institutio­n die gesamte Summe von 750 Milliarden Euro, die an alle 27 Mitgliedss­taaten verteilt wird, über Anleihen finanziert. Sie will Anleihen begeben, bekommt Geld wegen ihres Superratin­gs auf den Finanzmärk­ten zu besten Konditione­n, weil alle Staaten als Garanten auftreten. Die Garantien sind nicht unbegrenzt, orientiere­n sich an den Budgetante­ilen. Österreich müsste für rund 15 Mrd. garantiere­n, bekommt aber vier Mrd. gleich ausbezahlt. Ob die Hilfen als nichtrückz­ahlbare Zuschüsse oder Kredite vergeben werden, ist egal.

Denn die EU plant die Tilgung ihrer Kredite ab 2028 über einen Zeitraum von 30 Jahren bis 2058. Das Geld für die Tilgung soll dann auch nicht über Beiträge der Mitgliedss­taaten laufen, sondern über nachhaltig­e Abgaben – EU-Steuern. Es geht um Abgaben von globalen Großkonzer­nen, die vom Binnenmark­t profitiere­n, um Plastikund Klimaabgab­en, die von „Verschmutz­ern“bezahlt werden sollen. Fazit: Österreich könnte sogar mit Profit aussteigen.

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Noch haben EU-Wirtschaft­s- und -Währungsko­mmissar Paolo Gentiloni und die Finanzmini­ster Gernot Blümel und Olaf Scholz gut lachen: Die Milliarden­schlacht um den EU-Budgetrahm­en bis 2027 und den Wiederaufb­auplan geht erst richtig los.

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