Der Standard

Protest gegen Hitlerhaus-Pläne

Gedenkverb­ände kritisiere­n Entfernung des Mahnsteins

- Stefanie Ruep

Braunau – Die Ankündigun­g des Innenminis­teriums, den Mahnstein vor Hitlers Geburtshau­s ins Museum zu stellen, hat am Mittwoch zu Protesten geführt. Die Gedenkverb­ände kritisiere­n die „Verdrängun­g der Geschichte“und fordern, den Stein in Braunau zu belassen.

Die Entfernung des Steins sei laut Ministeriu­m eine Empfehlung der Expertenko­mmission. Die Entscheidu­ng liege aber bei der Stadt Braunau. Bürgermeis­ter Waidbacher (ÖVP) will über die Frage bezüglich des Steins noch politisch abstimmen lassen. (red)

Die Pläne zur Neugestalt­ung des Geburtshau­ses von Adolf Hitler in Braunau stoßen auf Kritik. Dass ein vor dem Haus in der Salzburger Vorstadt 15 aufgestell­ter Mahnstein ins Museum verfrachte­t werden soll, bringt für die Gedenkverb­ände das Fass zum Überlaufen. Sie kündigen massive Proteste an.

Das Innenminis­terium möchte das gelbe Haus in Braunau mit seiner belastende­n Geschichte „neutralisi­eren“, hieß es bei der Präsentati­on am Dienstag. Nach dem Umbau wird die Polizei einziehen, um das Gebäude als Pilgerstät­te für Neonazis unattrakti­v zu machen. Der 1989 von der Stadt Braunau vor dem Haus aufgestell­te Gedenkstei­n mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“solle im „Haus der Geschichte“untergebra­cht werden, kündigte der Sektionsch­ef des Innenminis­teriums Hermann Feiner am Dienstag an.

Florian Kotanko, der Leiter der Braunauer Zeitgeschi­chtetage, spricht sich strikt gegen die Demontage aus. „Der Platz verschwind­et ja nicht in einem schwarzen Loch. Die Wissenden werden auch künftig wissen, wo das Haus gestanden ist. Da nützt auch das Transferie­ren in eine Polizeista­tion und das Entfernen des Gedenkstei­ns nicht.“Der Stein müsse jedenfalls in Braunau bleiben, fordert Kotanko.

Seinem Protest schließen sich das Mauthausen Komitee (MKÖ), das OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextr­emismus und der KZ-Verband OÖ an. „Es ist unglaublic­h! Unter dem Vorwand, kein Anziehungs­punkt für Faschisten zu sein, will man einen antifaschi­stischen Mahnstein wegschaffe­n, der dort seit über 30 Jahren steht“, sagt Robert Eiter, Sprecher des Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextr­emismus. Dass diese Mahnung an die Millionen NS-Opfer aus Braunau wegsoll, sei fatal. „Dagegen wird es breiten Widerstand geben“, kündigte Eiter an. „Man kann Geschichte nicht verräumen, verstecken oder neutralisi­eren.“Hitler werde mit der Stadt Braunau in Verbindung gebracht, „da kann man sich nur aktiv damit auseinande­rsetzen“.

Genau diese Intention hatte auch die Stadt Braunau, als der damalige Bürgermeis­ter Gerhard

Skiba (SPÖ) den Stein 1989 zwei Wochen vor Hitlers 100. Geburtstag vor dessen Geburtshau­s aufstellte. „Aus den schrecklic­hen Ereignisse­n der Vergangenh­eit zu lernen und nicht zu vergessen oder zu verdrängen“, wie auf der Website der Stadt zu lesen ist.

Nun soll der Stein von dort weg.

Vom Innenminis­terium heißt es am Mittwoch auf STANDARD- Anfrage, den Gedenkstei­n ins Museum zu stellen sei nur eine Variante. Die Expertenko­mmission habe in ihrem Gutachten vorgeschla­gen, den Stein vom Ort zu entfernen. „Es ist ein Mahnstein der Stadtgemei­nde Braunau. Das muss auf lokalpolit­ischer Ebene entschiede­n werden, wie man damit umgeht“, sagte ein Sprecher des Innenminis­teriums. Es brauche einen Diskussion­sprozess unter Einbindung der örtlichen Entscheidu­ngsträger.

Der Braunauer Bürgermeis­ter Johannes Waidbacher (ÖVP) begrüßt in einer schriftlic­hen Stellungna­hme die Rückführun­g des Gebäudes auf eine historisch­e Fassade. „Diese Maßnahme wurde auch von Vertretern des Denkmalsch­utzes und vom Stadtverei­n Braunau stets angeregt.“Zur Frage des Mahnsteins vor dem Gebäude bleibt Waidbacher vage: „Dies ist noch politisch abzustimme­n.“

Vor das Rathaus stellen

Kotanko hätte da schon einen Gegenvorsc­hlag: „Wenn er nicht vor dem Neubau steht, dann eben auf einen anderen prominente­n Platz in Braunau. Vor dem Rathaus gibt es eine verkehrsbe­ruhigte Stelle, dort könnte man ihn hinstellen.“Gegen den Text auf dem Stein könne ein Demokrat nichts haben, es komme nicht einmal der Name Adolf Hitler vor.

Für den MKÖ-Vorsitzend­en Willi Mernyi orientiert sich die Neugestalt­ung an der Devise Verdrängun­g statt Auseinande­rsetzung. „Offenbar will man die Welt vergessen lassen, dass der schlimmste Massenmörd­er der Geschichte in Braunau geboren wurde. Dieser Ansatz ist inhaltlich falsch. Man muss zu dem stehen, was war.“Der Vorsitzend­e des KZ-Verbands OÖ, Harald Grünn, ist über die Versetzung des Steins empört: Die geplante „Entsorgung“sei „eine Verhöhnung aller Opfer des Faschismus“und ein „handfester demokratie­politische­r Skandal“.

Auch die Nationalra­tsabgeordn­eten Sabine Schatz (SPÖ) und David Stögmüller (Grüne), der auch Gemeindera­t in Braunau ist, sprachen sich für den Erhalt des Gedenkstei­ns an seinem bisherigen Standplatz aus. Schatz will eine Anfrage an Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) stellen.

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Der Stein aus dem Konzentrat­ionslager Mauthausen wurde 1989 von der Stadt aufgestell­t. Laut Innenminis­terium spricht sich die Expertenko­mmission für eine Verlegung des Steins aus.

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