Der Standard

Eine Umarmung zur Versöhnung mit der Polizei

Weitgehend friedlich verliefen neuerliche Demonstrat­ionen gegen Rassismus und Polizeigew­alt in den USA. Der US-Präsident bleibt bei seiner Linie und ließ Soldaten in die Hauptstadt verlegen.

- Gianluca Wallisch

Seit Ende Mai der Afroamerik­aner George Floyd in Minneapoli­s bei einer Verhaftung getötet wurde, ebbt die Welle der Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt in den USA nicht ab. In New York (Bild), Los Angeles und anderen Städten machten auch immer wieder Polizisten klar, dass sie auf der Seite der Demonstran­ten stehen: Sie knieten nieder, reichten die Hände, umarmten Kundgebung­steilnehme­r. Präsident Donald Trump beteiligte sich indes nicht an der verbalen Abrüstung, sondern ließ am Mittwoch gemäß seiner tags zuvor ausgesproc­henen Drohung 1600 Soldaten nach Washington verlegen.

Sollten Donald Trump und seine Berater im Weißen Haus geglaubt haben, mit der Drohung des Einsatzes bewaffnete­r Soldaten die landesweit­en Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd zum Erliegen zu bringen, so haben sie sich getäuscht: Allein in der texanische­n Metropole Houston kamen rund 60.000 Menschen zusammen. Sie ließen sich von Trumps Drohungen nicht abschrecke­n. Auch in anderen Städten gingen Tausende auf die Straßen und setzten sich mitunter auch über nächtliche Ausgangssp­erren hinweg – so etwa in Los Angeles, Philadelph­ia, Atlanta, New York und Washington.

Die Kundgebung­en verliefen überwiegen­d friedlich, mancherort­s kam es aber zu Ausschreit­ungen und Vandalismu­s. So wurden manche Luxusgesch­äfte auf der Fifth Avenue in New York verwüstet, ein Einkaufsze­ntrum in Los Angeles wurde in Brand gesteckt.

Für Aufsehen im positiven Sinne sorgte in Los Angeles Bürgermeis­ter Eric Garcetti: Er kniete symbolträc­htig gemeinsam mit mehreren Polizeibea­mten nieder, als sie sich mit Demonstran­ten trafen. Damit wollte der seit 2013 in der kalifornis­chen Millionens­tadt regierende Demokrat selbst ein Zeichen des Protests gegen Rassismus und Polizeigew­alt setzen.

„Knie nieder, NYPD!“

Ähnliche Bilder gab es auch aus New York – doch die symbolträc­htige Geste wurde nicht von allen Polizeiein­heiten im Big Apple wiederholt. So skandierte die Menge beim Washington Square Park „Knie nieder, NYPD!“– doch die Polizisten folgten der Aufforderu­ng hier nicht und wurden postwenden­d von den Demonstran­ten ausgebuht.

Laut einer am Dienstag veröffentl­ichten Reuters/Ipsos-Umfrage sympathisi­ert eine Zweidritte­lmehrheit der US-Bürger mit den Protesten. Mehr als 55 Prozent der

Befragten gaben an, dass sie Trumps Agieren in der Sache missbillig­ten. Ein Drittel der Befragten stehe hingegen hinter ihrem Präsidente­n.

Längst sind die Proteste auch zum Wahlkampfp­olitikum geworden. Der wahrschein­liche Herausford­erer von Trump, der Demokrat Joe Biden, begann eine emotionale Rede mit den letzten Worten des getöteten George Floyd: „Ich kann nicht atmen.“Biden erneuerte dabei seine Kritik am Umgang des US-Präsidente­n mit den Massenprot­esten. „Donald Trump hat dieses Land in ein Schlachtfe­ld verwandelt, das von alter Verbitteru­ng und neuen Ängsten getrieben wird.“

Trump ließ sich freilich von der Kritik seines Gegners um die Präsidents­chaft – gewählt wird im kommenden November – nicht verunsiche­rn und verfügte, wie angekündig­t, die Verlegung von 1600 Soldaten in die US-Hauptstadt. Einen Einsatzbef­ehl sprach er aber vorerst nicht aus.

Papst Franziskus nützte seine allwöchent­liche Generalaud­ienz am Mittwoch dazu, die Unruhen in den USA zu verurteile­n. Jede Form von Rassismus und Ausgrenzun­g sei unerträgli­ch und nicht tolerierba­r: „Mit Gewalt verdient man nichts, man verliert aber viel“, so der Pontifex.

Wie schon vor wenigen Tagen kamen auch in Frankreich wieder rund 20.000 Menschen zusammen, um Gerechtigk­eit für Adama Traoré zu fordern – ein ähnlicher Fall wie jener Floyds.

In Wien wollen Tausende heute, Donnerstag (ab 17 Uhr am Platz der Menschenre­chte), und morgen, Freitag (ebenfalls ab 17 Uhr vor der US-Botschaft), gegen Rassismus und Polizeigew­alt demonstrie­ren.

Für SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r ist der Appell des österreich­ischen Außenminis­teriums zu mehr Dialog nicht ausreichen­d: Sie forderte am Mittwoch die Bundesregi­erung auf, eine „klare Haltung“zu zeigen.

 ??  ??
 ??  ?? Das gleiche Bild in zahlreiche­n Städten der USA: Polizeikrä­fte marschiere­n in großer Zahl auf, um Demonstran­ten in Schach zu halten.
Das gleiche Bild in zahlreiche­n Städten der USA: Polizeikrä­fte marschiere­n in großer Zahl auf, um Demonstran­ten in Schach zu halten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria