Der Standard

Ein junger Amerikaner singt gegen Diskrimini­erung an

Nach dem Tod George Floyds berührt der zwölfjähri­ge Keedron Bryant mit „I Just Wanna Live“

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Jacksonvil­le – Mit einem Video im Internet fast drei Millionen Aufrufen zu lukrieren, das wünschen sich viele junge, aufstreben­de Musiker. Dem zwölfjähri­gen Gospelsäng­er Keedron Bryant ist das mit seinem 50-sekündigen A-cappella-Song gelungen – doch könnte der Anlass für seinen Erfolg nicht trauriger sein. Der Tod des Afroamerik­aners George Floyds streute Salz in die ohnehin offenen Wunden der afroamerik­anischen Bevölkerun­g. Viele fürchten um Leib und Leben, wenn sie nur das Haus verlassen.

Auch die Mutter von Keedron, Johnetta Bryant, traf der unnötige Tod Floyds tief. Besonders dessen Ruf nach seiner Mutter, kurz bevor er starb, ließ die gläubige Frau nicht los. Im Gebet für George Floyd kam ihr auch der starke Text zu dem Song, den ihr Sohn später interpreti­eren sollte. „Gott gab mir diesen Songtext“, sagte sie lapidar in einem Interview über die Genese des Stücks. I Just Wanna Live erzählt aus der Perspektiv­e ihres Sohnes, aus der Perspektiv­e aller schwarzer junger Männer: Man will keine Probleme, es wurde schon genug gekämpft, heißt es da. Der bescheiden­e Wunsch: ein Leben in Frieden.

Keedron, der schon als ganz kleiner Bub in der Kirche im Chor sang, interpreti­ert das tieftrauri­ge Lied nicht nur hervorrage­nd, er spürt den Schmerz einer ganzen

Bevölkerun­gsgruppe richtiggeh­end und versieht seinen Gesang doch mit einem Funken Hoffnung. Das berührt soeben Menschen weltweit.

Von Barack Obama über die Schauspiel­erin Lupita Nyong’o, vom Basketball-Superstar LeBron James bis zu Musikerkol­legin Janet Jackson zollten dem Sänger

Größen aus allen Sparten Respekt; das Video verbreitet­e sich viral. Berühmt zu werden war aber sicherlich nicht das Ziel. Keedron wollte mit dem Song ein Gemeinscha­ftsgefühl unter jenen schaffen, die ähnliche Erlebnisse verbinden: geteiltes Leid sozusagen.

Für ein großes Publikum zu singen ist für Keedron Bryant allerdings trotzdem nichts Neues. Bei der NBC-Talentesho­w für Kinder, Little Big Shots, war er bereits zu Gast und gab dort den Gospelklas­siker Oh Happy Day zum Besten.

Es wird sicherlich nicht der letzte Auftritt des wohlerzoge­nen und gottesfürc­htigen jungen Mannes sein, der neben dem Singen auch noch ein Talent für Leichtathl­etik hat. Er sieht es als seine Aufgabe, Menschen mit seinem Gesang zu berühren und die Welt damit positiv zu beeinfluss­en.

In den Charts werden wir ihn aber vermutlich nicht hören. Keedron möchte profession­eller Gospelsäng­er werden. Live wird man ihn also vor allem in der Kirche erleben können. (abs)

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Keedron Bryant eroberte das Internet mit einer simplen Botschaft: Einfach nur am Leben zu bleiben, wünscht sich der junge Sänger.

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