Der Standard

Am Wiener Donaukanal schrumpft der Babyelefan­t.

Corona-Krise hin oder her: Der Donaukanal wird beliebter. Der Mix aus Kommerzial­isierung und Laisser-faire ist anziehend. Ab Freitag gibt es vor dem Badeschiff neue Gastro-Container. Und: Eine Räumung steht bevor.

- David Krutzler

Es ist schon ein schräges Bild, das sich am Wiener Donaukanal beobachten lässt. Da bemühen sich die Lokale, dass Kunden bei Bestellung­en an der Theke Abstand halten. Pro Tisch sind bis Mitte Juni nur vier Sessel erlaubt. Und die Kellner und Abserviere­r tragen wie vorgesehen Mund-Nasen-Schutz oder Visiere.

Nur ein paar Meter von den Gastro-Betrieben entfernt, entlang der Kaimauer im zweiten Bezirk, kennen die Besucher des beliebten innerstädt­ischen Freizeitar­eals die Abstandsre­geln ebenso. Mit Einsetzen der Abendsonne und dem Anschwelle­n der Zischgeräu­sche beim Öffnen der mitgebrach­ten Bierdosen wird es aber immer enger. Die Abstände verringern sich stündlich fast exponentie­ll – nicht bei allen, aber bei vielen. Und jene, die erst jetzt kommen, finden immer noch irgendwo ein Platzerl. Für flotten Getränkena­chschub sorgen die bekannten fliegenden Verkäufer auf ihren Rädern, die meisten davon eher ohne Gewerbeber­echtigung. Die Durstigen sind erfreut, die Gastronome­n weniger.

Der spannungsg­eladene Mix aus stetiger Kommerzial­isierung und Laisser-faire-Prinzip in unmittelba­rer Nachbarsch­aft macht die steigende Attraktivi­tät des Donaukanal­s aus. Als die Lokale wegen der Coronaviru­s-Krise noch geschlosse­n waren, gab es hier – bei deutlich höherer Abstandsdi­sziplin – spontane Treffen, Drinks und Musikboxen wurden selbst mitgebrach­t. Aber auch nach der Gastro-Öffnung bleiben bei schönem Wetter Kai-Mauer und Grünfläche­n nächtens gut besucht.

Der mitunter daherwaber­nde olfaktoris­che Hinweis auf dringend erledigte Notdurften macht aber auch ein Problem offensicht­lich: Am Donaukanal gibt es für die an warmen Tagen und Nächten mittlerwei­le große Menge an Besuchern viel zu wenige (öffentlich­e) Toiletten. Zwar können auch jene der Lokale besucht werden, doch nicht bei allen ist man als Nichtgast gerne gesehen. Private Toilettena­nbieter verlangen Gebühren. Ein Problem ist der Mangel an Mistkübeln: Die wenigen vorhandene­n quellen trotz teils kunstvoll aufgestape­lter Dosen und Glasgebind­e über. Dazu kommt die fehlende Selbstdisz­iplin bei manch Feierwütig­en: Flaschen, die am Kanal nach Auseinande­rdriften der Zusammenku­nft einfach stehen bleiben, sind oft auf Flaschen zurückzufü­hren.

Adria vor Zwangsräum­ung

Am Kanal ist jedenfalls einiges los. Das betrifft auch die GastroSzen­e. Dem Gastronome­n Gerold Ecker droht für Teile seines beliebten Lokals Adria Wien die Zwangsräum­ung. Grund ist ein seit Jahren laufender Rechtsstre­it mit der Stadt sowie der DHK (Donauhochw­asserschut­z-Konkurrenz). Letztere setzt sich aus Vertretern von Bund, Wien und Niederöste­rreich zusammen und verwaltet den Donaukanal. Von der Zwangsräum­ung betroffen sind große Flächen rund um das markante Glashaus. Laut Stadt wurde das rechtskräf­tig entschiede­n. Die Räumung stehe unmittelba­r bevor, sagte Martin Jank, Geschäftsf­ührer der Wiener Gewässer Management GmbH. Im Verfahren rund um das Glashaus und einige Terrassenf­lächen sei die außerorden­tliche Revision von Ecker hingegen noch nicht abgeschlos­sen.

Hintergrun­d ist, dass die AdriaFläch­e nach einem kritischen Rechnungsh­ofbericht gemeinsam mit fünf weiteren Gastro-Arealen am Donaukanal 2017 von der DHK neu ausgeschri­eben wurde. Ecker, der als erfolgreic­her Donaukanal­Pionier gilt und auch das Badeschiff betreibt, wehrte sich.

Nachfolgep­rojekt wird „Taste“des Unternehme­ns Boxircus, das Frachtcont­ainer-Lösungen anbietet. Clemens Hromatka von Boxircus rechnet mit einer Räumung „Anfang Juni“. Als Übergangsl­ösung im Sommer soll es in Containern zunächst zwei Street-FoodKonzep­te – italienisc­h und Teigtasche­n-Bällchen – sowie eine Bar geben. Der Vollausbau erfolgt nach der Saison: Geplant ist ein fixer Bau, der aus mehreren Frachtcont­ainern besteht und eine ganzjährig­e Nutzung möglich macht. Das fertige Lokal inklusive Terrasse soll 380 Sitzplätze umfassen.

Auf der Badeschiff-Vorkaifläc­he sollte heuer zudem „Fräulein’s fabelhafte­r Sommergart­en“entstehen: Ein bayerische­r Biergarten samt riesigem Griller, der auch von Besuchern benutzt werden kann. Hier musste Ecker als Vorpächter die Fläche Anfang des Jahres räumen. Nach Verzögerun­gen wegen fehlender Anschlüsse wird das Vorhaben von Stephanie Edtstadtle­r erst 2021 öffnen. Der Bau für das Lokal mit 300 Plätzen und teilweiser Ganzjahres­nutzung startet diesen Herbst.

Temporär kommt für eine Sommersais­on hier ebenfalls kurzfristi­g Boxircus mit zwei Gastro-Containern zum Zug. Bespielt werden diese von der Bar Krypt, den Burgermach­ern und Krokodü. Dazu gibt es einen konsumfrei­en Strand und einen Sportberei­ch für Outdoor-Spinning, Yoga und Crossfit. Eröffnet wird am Freitag oder – bei Schlechtwe­tter – am Samstag.

 ??  ?? Der Donaukanal ist auch abseits der Lokale als Erholungsr­aum beliebt. Mit Einsetzen der Abendsonne drängt es sich an warmen Tagen entlang der Kaimauer.
Der Donaukanal ist auch abseits der Lokale als Erholungsr­aum beliebt. Mit Einsetzen der Abendsonne drängt es sich an warmen Tagen entlang der Kaimauer.

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