Massive Kritik am „Lauschangriff“im Buwog-Prozess
Strafprozessexperten sehen Grundrechte verletzt – Gericht nimmt weiter in den Pausen auf, Prozessteilnehmer müssen aus dem Saal
Das Vorgehen des Gerichts im Buwog-Prozess, der in seiner Gesamtheit in Bild und Ton mitgeschnitten wird, erregt Kritik. Nicht nur bei der Verteidigung. Sie ortet ja einen „Lauschangriff“und hält es für unrechtmäßig, dass auch in den Pausen weiter aufgezeichnet wird – was man bisher nicht wusste.
Dabei würden auch streng vertrauliche Gespräche der Anwälte mit ihren Mandanten, aber auch solche von Zuhörern mitaufgenommen. Die Verteidiger sehen u. a. das Recht auf einen fairen Prozess verletzt, zudem stellen sie Verstöße gegen Datenschutz- und Strafgesetz (Missbrauch von Tonaufnahmegeräten; § 120 StGB) in den Raum. Das Straflandesgericht weist das zurück. Man zeichne aus technischen Gründen auch in den Pausen auf, um nicht zu vergessen, die Geräte danach wieder einzuschalten, erklärte Gerichtspräsident Friedrich Forsthuber.
In der Verhandlung am Mittwoch zollte Buwog-Richterin Marion Hohenecker den Vorwürfen insofern Rechnung, als in der Pause alle Prozessteilnehmer den Saal verlassen mussten. Die Aufnahmen liefen aber weiter, erklärte die Richterin. Die Schriftführerin war nicht im Raum.
Der Innsbrucker Universitätsprofessor für Straf- und Strafprozessrecht, Klaus Schwaighofer, hält das Vorgehen des Gerichts für „objektiv unzulässig“. Zwar erlaube die Strafprozessordnung (StPO) Ton- und Bildaufzeichnungen in der Hauptverhandlung (HV), Pausen gehörten aber eben nicht zur HV. Was den Verdacht betrifft, es werde gegen § 120 StGB verstoßen, sieht er die Weitergabe des unzulässig mitgeschnittenen Materials an die Schriftführerin (zu deren Unterstützung die Aufnahmen dienen) kritisch. Allerdings: Vorsatz, den das Delikt verlangt, sei sicher nicht gegeben, also auch kein Amtsmissbrauch.
Pausen sind tabu
Die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre ist in den Augen Schwaighofers aber sicher verletzt. Und: Keinesfalls könne das Gericht so inkorrekt weitertun: „Man muss präzise darauf achten, dass nur in der Hauptverhandlung aufgezeichnet wird.“
So sieht das auch Rechtsanwalt und Transparency-Österreich-Vorstandsmitglied Georg Krakow. Unterbrechungen in der HV dürften nicht aufgenommen werden, für Videoaufnahmen „im hoheitlichen Bereich“, wie es die Justiz ist, brauche es eine gesetzliche Grundlage, „die sehe ich aber nicht“. Auch Krakow (ehedem Bawag-Staatsanwalt) hält vor allem die Aufnahme der Gespräche von Verteidigern mit den Angeklagten für problematisch, wenn diese Dritten zugänglich gemacht würden. Und das sei auch bei der Weitergabe an die Verteidiger der Fall.
Landen die Aufnahmen bei den Anwälten (sie dürfen das Material laut StPO bekommen), könne jeder Anwalt jeden Angeklagten hören – und das gehe nicht. „Wenn so etwas schon passiert, hätten alle in den Pausen entstandenen Aufnahmen rausgeschnitten werden müssen“, findet Krakow. Dass die Aufnahmegeräte nun trotzdem in den Pausen weiterlaufen, hält auch er für „sehr hinterfragenswert“. Und wenn die Richterin anordnet, dass alle den Saal verlassen müssen in den Pausen? Dann, so der Jurist, könne sich niemand aufregen, wenn er aufgenommen wird, weil er sich unrechtmäßig im Raum befinde. Allerdings: „Einfacher und dem Gesetz entsprechender wäre es, wenn man die Stopp- und Starttaste der Geräte betätigen würde.“
Strafrechts- und Strafprozessrechtsprofessor Robert Kert (WU Wien) kritisiert vor allem „den massiven Verstoß“gegen die Grundrechte, wie jenes auf Privatsphäre oder Verteidigung. Kerts Schlussfolgerung: „Der Justiz fehlt die Grundrechtssensibilität.“