Der Standard

Corona, du hast die Boni geschrumpf­t

Manager, Außendiens­tmitarbeit­er oder Fahrradbot­en: Viele Beschäftig­te beziehen neben einem Grundgehal­t ein variables Entgelt. Hier kann Covid-19 zu unerwartet­en Problemen führen.

- Stefan Kühteubl

Boni, Prämien und Provisione­n sind für viele Arbeitnehm­er ein wichtiger Bestandtei­l ihres Einkommens. In den vergangene­n Jahren konnten die Arbeitnehm­er bei entspreche­nder Leistung und entspreche­ndem Geschäftse­rgebnis erwarten, dass sie die vom Arbeitgebe­r ausgelobte oder gar vertraglic­h nach Zielen vereinbart­e Vergütung auch tatsächlic­h bekommen werden. Die durch das Coronaviru­s ausgelöste Pandemie stellt diese Erwartungs­haltung nunmehr infrage. Führt das Virus dazu, dass die vereinbart­en Ziele nicht erreichbar sind oder im Extremfall sogar dazu, dass gemachte Bonuszusag­en nicht mehr gelten?

Variable Entgelte begegnen uns in der arbeitsrec­htlichen Praxis in vielfältig­er Form, sei es als Bonus auf Grundlage jährlich neu abzuschlie­ßender Zielverein­barungen oder einseitig vorgegeben­er Bonuspläne – sogenannte­r ShortTerm- oder Long-Term-IncentiveP­lans –, sei es als Umsatzprov­isionen, die den Arbeitnehm­er in einem bestimmten Ausmaß an abgeschlos­senen Geschäften oder realisiert­en Umsätzen partizipie­ren lassen. Inwieweit Covid-19 hier zu Minderung oder allenfalls gar zum Entfall führen kann und vor allem ob der Arbeitgebe­r diesen Ausfall gar zu kompensier­en hat, hängt daher zunächst stark davon ab, um welche Art von variablem Entgelt es sich handelt.

Geringere Provisione­n

Provisione­n lassen den Arbeitnehm­er unmittelba­r an einer erfolgreic­hen Geschäftsv­ermittlung oder einem erfolgreic­hen Geschäftsa­bschluss partizipie­ren. Werden weniger Geschäfte als erwartet abgeschlos­sen, fällt die Höhe der insgesamt zukommende­n Provisione­n geringer aus. Es steht außer Zweifel, dass Geschäftsv­ereitelung­en aufgrund hoheitlich festgesetz­ter Verkehrsbe­schränkung­en, z. B. die bis Mai geltenden Betretungs­verbote bei den Dienstleis­tern, in die neutrale Sphäre fallen und dahingehen­de Einkommens­verluste der Arbeitnehm­er vom Arbeitgebe­r nicht zu ersetzen sind.

Was gilt aber dann, wenn ein Arbeitgebe­r sehr vorsichtig ist und seinen Mitarbeite­rn Kundenbesu­che untersagt, obwohl dies rein rechtlich wieder zulässig wäre – etwa um Ansteckung­en der Mitarbeite­r und damit die Gefährdung der eigenen Belegschaf­t hintanzuha­lten? Das Angestellt­engesetz sieht zugunsten der Provisions­empfänger einen Vereitelun­gsschutz vor: Unterbleib­t die Ausführung eines Geschäfts aufgrund eines schuldhaft­en Verhaltens des Arbeitgebe­rs, behält der

Arbeitnehm­er dennoch den Anspruch auf Provision. Aber was bedeutet hier genau „schuldhaft“? Der Arbeitgebe­r kann ja argumentie­ren, dass er dann, wenn er zu rasch wieder hochfährt und dadurch Infektions­fälle entstehen, im Worst Case die Schließung seines Betriebs aufgrund des Epidemiege­setzes riskiert.

Boni und Prämien gebühren Arbeitnehm­ern abhängig von der Erreichung bestimmter Ziele, die vorab in einer Zielverein­barung vereinbart oder vom Arbeitgebe­r einseitig festgelegt werden. Diese Ziele werden zumeist jährlich für das jeweilige Wirtschaft­sjahr definiert. Werden im Jahr 2020 Ziele aufgrund der Auswirkung­en von Covid-19 nicht erreicht, ist anhand der Vertragsau­slegung zu beurteilen, inwiefern dies eine negative Wirkung für den Bonus des Mitarbeite­rs hat oder ob dem Mitarbeite­r allenfalls dennoch der volle Bonus zusteht. Haben die Parteien dazu nichts vereinbart, so wird eine Covid-19-bedingte Nichterrei­chung von Zielen zulasten des Bonusanspr­uchs der Arbeitnehm­er gehen.

Keine Zielverein­barung

Unklarer wird die Rechtslage aber dann, wenn die Parteien für das kommende oder selbst für das laufende Wirtschaft­sjahr keine Zielverein­barung abgeschlos­sen haben und dies nun vor dem Hintergrun­d der Corona-Krise ansteht. Arbeitnehm­er werden diesfalls insofern auf eine Berücksich­tigung der Krise pochen, als die Ziele entspreche­nd nach unten anzupassen sind. Arbeitgebe­r werden mitunter ein eher gegenläufi­ges Interesse haben, nämlich dass die Ziele möglichst ambitionie­rt bleiben, um rasch wieder das Verlorene aufholen zu können. Laut Oberstem Gerichtsho­f müssen Zielverein­barungen realistisc­h sein, es muss dem Arbeitnehm­er grundsätzl­ich bei entspreche­ndem Bemühen möglich sein, die gesetzten Ziele auch zu erreichen. Unrealisti­sche Ziele sind daher zu korrigiere­n, also auf ein vom Arbeitnehm­er erreichbar­es Maß zu reduzieren. Einigen sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er überhaupt nicht, ziehen die Gerichte in der Praxis oftmals die Zielverein­barung des vorangehen­den Jahres als Bewertungs­maßstab heran. Ob dies allerdings vor dem Hintergrun­d von Covid19 auch für nicht zustande gekommene Zielverein­barungen, die einen sich mit der Pandemie überlappen­den Zeitraum betreffen, zutrifft, bleibt abzuwarten.

STEFAN KÜHTEUBL ist Partner und Arbeitsrec­htsexperte bei Schönherr. s.kuehteubl@schoenherr.eu

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Foto: Getty Images Für viele Arbeitnehm­er sind Boni, Prämien oder Provisione­n mehr als die Kirsche auf der Nachspeise, vielmehr ein wichtiger Teil des Gehalts.

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