Der Standard

Vom Mundhalten und Autokraten

- Ljubiša Tošić

Es steht Donald Trump also vor der Kirche St. John’s und nimmt schließlic­h eine Pose ein, die nordkorean­ischen Charme versprüht, obwohl Trump mit der rechten Hand eine Bibel hochhält. Mutmaßlich ein Bild, das im Rückblick auf diese Präsidents­chaft als typisch gelten wird. Mal sehen. Vorerst lässt sich nur konstatier­en, dass der Mann mit der Sprungscha­nzenfrisur durch Wort und Bibelbild erfolgreic­h von Corona-Problemen ablenkt. Es wird ihm ja in puncto Pandemie wenig Umsicht bescheinig­t. Davon redet nun aber eben kaum jemand. Auch bei Markus Lanz, der wochenlang Politiker und Viro

DONALD TRUMP UND DIE US-UNRUHEN ALS THEMA BEI MARKUS LANZ AUF ZDF

logen (sehr interessan­t) befragte, hat sich Trump durch seinen Umgang mit den Unruhen infolge des Erstickung­stodes von George Floyd durchgeset­zt.

Live zugeschalt­et wird der Washington-Korrespond­ent, der Lanz berichtet, es würden gleich Nationalga­rdisten durch eine friedliche Demo marschiere­n. Man müsse sich schützen wie im Kriegsgebi­et, sagt später der New-York-Korrespond­ent. Dazwischen als Kontrast der Polizeiche­f von Houston: Er fordert Trump auf, den Mund zu halten. Alles aufgeheizt, interessan­t, besonders aber die Finanzexpe­rtin Sandra Navidi: Trump lasse es auf eine Verfassung­skrise ankommen, meint sie. Es gehe ihm um die feindliche Übernahme der Demokratie, also um Autokratie. Er will das Chaos entfachen, um die Wahlen aussetzen zu können. Die gruselige Analyse war in ihrer Extremheit dann aber auch beruhigend. Trump dämonische Superstrat­egie zu unterstell­en scheint der Ehre zu viel. Auch wenn er zurzeit nordkorean­ischen Charme versprüht.

dst.at/TV-Tagebuch

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