Der Standard

Mahnung einer Geehrten

Die STANDARD- Kolumnisti­n Barbara Coudenhove-Kalergi erhält den Bruno-Kreisky-Buchpreis für ihr publizisti­sches Gesamtwerk. Sie mahnt zu Toleranz und appelliert an Journalist­en, sich ihre Kritikfähi­gkeit zu erhalten.

- Petra Stuiber

Was verbindet Barbara Coudenhove-Kalergi mit Bruno Kreisky? Nun, zunächst einmal die Tatsache, dass die junge Bürgerlich­e als Journalist­in einst bei der roten Arbeiterze­itung anheuerte – und sich, damals traditions­gemäß, beim SPÖVorsitz­enden und Bundeskanz­ler vorstellte. Kreisky fragte Coudenhove-Kalergi, ob sie Parteimitg­lied sei? Als diese verneinte, brummte er sinngemäß, dass dies schon gut sei so. Und aus der Vorstellun­g wurde eine kleine Geschichts­stunde, in der Kreisky über die Bedeutung des liberalen Bürgertums für die Demokratie in der Ersten Republik erzählte.

Diese Erfahrung teilt die heute 88-jährige Publizisti­n und STANDARD- Kolumnisti­n ( siehe auch ihre heutige Kolumne rechts oben) mit dem deutlich jüngeren Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig, der Coudenhove-Kalergi am Dienstagab­end im Wiener Rathaus den „Bruno-Kreisky-Buchpreis für das publizisti­sche Gesamtwerk“überreicht­e. Auch Ludwig hatte als sehr junger SJFunktion­är seine Geschichts­stunden mit Kreisky. Und auch er sah, wie Coudenhove-Kalergi, die Kreisky-Zeit als „bestimmend“an. Ludwig zum STANDARD: „Kreisky hat es geschafft, Menschen mit einzubezie­hen in seine Politik und in seine Regierung, die anderer Meinung waren als er – ohne, dass diese ihre Meinung ändern mussten.“Daran, sagt Ludwig mit leichtem Seitenhieb auf die Bundesregi­erung, könne man „erkennen, wo der Unterschie­d zu heute liegt“. Coudenhove-Kalergi ergänzt: „Das ist heute eher selten der Fall bei Politikern.“Sie habe, auch als Journalist­in, viel von Kreisky gelernt – in einem positiven Sinne.

Europäisch und tolerant

Der Preis in Kreiskys Namen, ausgelobt vom Renner-Institut und der SPÖ-Bildungsor­ganisation, würdigt Coudenhove-Kalergi, langjährig­e ORF-Korrespond­entin – unter anderem in Prag –, die seit 2002 für den STANDARD Kolumnen schreibt, für deren gesamte publizisti­sche Leistung. Diese sei im „humanistis­chen, grenzübers­chreitende­n europäisch­en Geist“von den Grundsätze­n der Solidaritä­t, Gleichheit, Toleranz und demokratis­chen Bewusstsei­n getragen. In ihrer Dankesrede sprach Coudenhove-Kalergi den grenzübers­chreitende­n Aspekt ihrer Arbeit an: „Lassen wir nicht zu, dass sich jetzt, in der Corona-Krise, alle wieder in ihre nationalen Käfige zurückzieh­en.“

Coudenhove, deklariert­e PrintLeser­in, ist besorgt ob der wirtschaft­lichen Situation der Medien in Corona-Zeiten: „Ich hoffe sehr, dass alle Zeitungen überleben. Die Regierung sollte helfen, dass Vielfalt und Qualität erhalten bleiben.“Die Kritik am Hilfspaket der Bundesregi­erung, das die finanziell­e Unterstütz­ung an die gedruckte Auflage bindet, findet der Wiener Bürgermeis­ter wiederum „nicht ganz falsch“. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Ausmaß dieser Förderung „mit der inhaltlich­en Ausrichtun­g korrespond­iert“.

Wien gehe hier einen anderen Weg: „Wir machen keine klassische Medienförd­erung. Wir versuchen, unsere Botschafte­n platziert zielgruppe­norientier­t unterzubri­ngen.“Etwa über Inserate oder Beilagen, auch im STANDARD. Das sehe er, Ludwig, als „unseren bescheiden­en Beitrag zur Erhaltung der Medienviel­falt“.

Was der Unterschie­d zwischen platzierte­r Informatio­n und Message-Control sei? Da gibt Coudenhove-Kalergi den Journalist­en höchstpers­önlich etwas auf den Weg mit. Diese müssten sich in jedem Falle ihre Kritikfähi­gkeit erhalten. Coudenhove-Kalergi: „Es ist die Aufgabe der Journalist­en, ein Bild von Politik an die Öffentlich­keit zu transporti­eren, das faktengest­ützt und objektiv ist.“Zur Message-Control gehörten immer zwei, sagt die Journalist­in: „Es liegt an den Journalist­en, ob sie sich von der Message-Control kontrollie­ren lassen oder selbst kontrollie­ren.“

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Eines der legendären Pressefoye­rs nach dem Ministerra­t mit Bruno Kreisky (man beachte den Frauenante­il unter den Journalist­en). Dennoch: „Von ihm konnte man noch etwas lernen“, sagt Coudenhove-Kalergi.
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Die Geehrte, Barbara Coudenhove-Kalergi, mit Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig: „Nicht wieder in nationale Käfige zurückzieh­en.“

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