Der Standard

Warum es in der Politik mehr Ethik braucht

Für unethische­s Handeln politisch Tätiger sollte es spürbare Konsequenz­en geben

- Eduard Strauss

Es ist schon wieder was passiert …“Und es gibt deshalb schon wieder einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, diesmal über den IbizaSkand­al und dessen Folgen. Das ist gut so, denn ein Untersuchu­ngsausschu­ss stellt ein wichtiges Instrument parlamenta­rischer Kontrolle dar. Gegenstand der Untersuchu­ng ist nach der Bundesverf­assung ein bestimmter abgeschlos­sener Vorgang im Bereich der Vollziehun­g des Bundes.

Zum Ende des Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­sses wird die Verfahrens­richterin den Entwurf zum Ausschussb­ericht faktenbasi­ert und möglichst objektiv abfassen und Empfehlung­en abgeben. So habe auch ich es als Verfahrens­richter im Entwurf für den Bericht des BVT-Untersuchu­ngsausschu­sses, der die Vorgänge im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g geprüft hat, im September 2019 getan. Damals drängte sich mir ein grundsätzl­iches und generelles Thema auf, das jetzt nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos noch dringliche­r ist: Österreich braucht sanktionsb­ewehrte Richtlinie­n in der Frage der Ethik politisch Handelnder.

Politische­s Gewicht

Wie könnten solche Richtlinie­n aussehen? Hier ein Diskussion­svorschlag: Ich plädiere dafür, eine Ethikkommi­ssion und einen Ethikrat mit Sitz im Parlament einzuricht­en, die für im Parlament politisch Tätige zuständig sind. Um dieser Kommission politische­s Gewicht zu verleihen, sollte der Bundespräs­ident oder eine von ihm ernannte unabhängig­e

Persönlich­keit den Vorsitz übernehmen. Dazu je ein/e Vertreter/in der im Parlament vertretene­n politische­n Parteien und ebenso viele politisch unabhängig­e Ethikerinn­en und Ethiker.

Die erste, dringendes­te Aufgabe der Kommission wäre die Ausarbeitu­ng eines Ethikkodex­es für politisch Handelnde sowie eine Verfahrens­ordnung. Als Muster für einen Ehrenkodex könnte etwa die Welser Erklärung der Richterver­einigung dienen. In dieser steht zum Beispiel, „Einladunge­n oder Geschenke, die den Anschein erwecken, Abhängigke­iten zu schaffen, nehmen wir nicht an“sowie „Interventi­onsversuch­e legen wir offen“. In einem nächsten Schritt sollte nach der Ethikkommi­ssion der Ethikrat eingericht­et werden. Dieser darf von Abgeordnet­en und auch Ministerin­nen und Ministern in Sachen ethische Fragen angerufen werden. Das sind Fragen bezüglich eines Verhaltens, die zwar nicht strafrecht­lich relevant, aber ethisch zu verurteile­n sind. Der Ethikrat fasst seine Beschlüsse mit Zweidritte­lmehrheit. Der/die Vorsitzend­e stimmt mit.

Er wird nur ad hoc bei Anfragen (auch durch U-Ausschüsse) und Aufträgen einberufen. Er darf Personen vernehmen (auch in „kleinerer Besetzung“) und auch Sachverstä­ndige beiziehen. Um nicht zahnlos zu sein, müsste dieser Ethikrat neben Empfehlung­en auch rechtsstaa­tlich abgesicher­t Sanktionen verhängen dürfen: vom Vorschlag eines Ordnungsru­fs bis hin zu Gehaltskür­zungen der Abgeordnet­en und politisch Tätiger.

Mehr Ethik in der Politik und spürbare Konsequenz­en für unethische­s Handeln politisch Tätiger würde das Image von Politikeri­nnen und Politikern im Land heben. Und schließlic­h jenen besonders helfen, die in die Politik gegangen sind, um einen positiven Beitrag für die Gesellscha­ft zu leisten. Deshalb hoffe ich, dass sich im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss Ergebnisse und Synergien zum Thema Ethik in der Politik finden lassen werden.

Kommt mehr Ethik in die Politik, wird weniger passieren und wir brauchen keine Untersuchu­ngsausschü­sse mehr.

EDUARD STRAUSS ist Senatspräs­ident des Oberlandes­gerichts Wien im Ruhestand. Er war Verfahrens­richter im BVTUntersu­chungsauss­chuss. Strauss ist Präsident des Wiener Instituts für Strauss-Forschung.

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