Der Standard

ZITAT DES TAGES

Für Österreich­s einzigen NBA- Spieler Jakob Pöltl waren Demonstrat­ionen gegen Rassismus in den USA „nur eine Frage der Zeit“. Vor seinem Coach und anderen Stars, die sich einsetzen, zieht er den Hut. Auch Österreich müsse mehr gegen Rassismus tun.

- INTERVIEW: Fritz Neumann

„Jeder dunkelhäut­ige Spieler, selbst wenn er jetzt ein Superstar ist, war in seiner Kindheit und Jugend mit Rassismus konfrontie­rt.“

Jakob Pöltl, Österreich­s einziger Basketball­er in der NBA, über Rassismus in den USA

Erst im April hat Jakob Pöltl den Basketball­film White Men Can’t Jump, in dem rassistisc­he Vorurteile sehr ironisch ad absurdum geführt werden, im STANDARD beschriebe­n. Wenige Wochen später ist in den USA, wo der Wiener seit 2014 lebt, die Situation dramatisch. Viele Sportstars erklären sich mit jenen solidarisc­h, die nach dem gewaltsame­n Tod von George Floyd gegen Rassismus und Polizeigew­alt demonstrie­ren. Sie setzen damit ein dringend notwendige­s Zeichen, sagt Pöltl und lobt seinen Coach Gregg Popovich von den San Antonio Spurs, einen der härtesten Kritiker von Donald Trump. Auch in Österreich, meint Pöltl, sollte mehr gegen Rassismus getan werden.

STANDARD: San Antonio in Texas, wo Sie leben, ist mit 1,5 Millionen Einwohnern die siebentgrö­ßte Stadt der USA. Wie viel bekommen Sie dort von den Protesten mit?

Pöltl: Die Menschen sind auch hier auf die Straße gegangen. Ich weiß, dass auch einige Teamkolleg­en die Demonstran­ten unterstütz­t haben, mit Verpflegun­g, mit Getränken. Ansonsten informiere ich mich über die sozialen Medien und durch Kontakte mit Freunden, die ich in vielen amerikanis­chen Städten habe.

STANDARD: Überrascht es Sie, was sich landesweit auf den Straßen abspielt?

Pöltl: Die Situation überrascht mich höchstens in ihrer Dramatik. Aber dass wieder etwas passiert, war nur eine Frage der Zeit. Das Problem, dass es strukturel­len Rassismus in den USA gibt, ist ja nie richtig angegangen worden. Und in den vergangene­n Jahren hat sich nichts verbessert. Allein wenn ich mit meinen Teamkolleg­en rede, bekomme ich viel davon mit.

STANDARD: Wobei NBA-Basketball­er ja sicherlich privilegie­rt sind, nicht nur ihrer Gagen wegen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass sie sich in einem Umfeld bewegen, in dem die große Mehrheit der Spieler dunkelhäut­ig ist.

Pöltl: Das stimmt natürlich. Aber jeder dunkelhäut­ige Spieler, selbst wenn er jetzt ein Superstar ist, war in seiner Kindheit und Jugend mit Rassismus konfrontie­rt. Einer meiner besten Freunde ist der Kameruner Pascal Siakam, mit dem ich bei den Toronto Raptors gespielt habe. Auch er sagt, er musste lernen, mit Rassismus zu leben. Und in den sozialen Medien schlägt einem sowieso regelmäßig Rassismus entgegen, weil viele Leute glauben, dass sie im Internet alles loswerden können.

STANDARD: In San Antonio ist Gregg Popovich Ihr Trainer, er ist nicht nur bei den Spurs, die er zu fünf NBA-Titeln führte, eine Legende und betreut auch das US-Nationalte­am. Popovich ist einer der härtesten Kritiker von US-Präsident Donald Trump, den er einen „geistesges­törten Idioten“, einen „pathologis­chen Lügner“und einen „seelenlose­n Feigling“nennt. Würden Sie etwas hinzufügen oder streichen wollen?

Pöltl: Ich persönlich hätte das vermutlich nicht so hart formuliert. Aber auch ich bin kein Fan von Trump und dem Blödsinn, den er treibt. Er ist keine Führungspe­rsönlichke­it, er ist kein Präsident, er trifft viele falsche Entscheidu­ngen.

STANDARD: Wie viel Mut gehört dazu, in Texas so aufzutrete­n wie Popovich?

Pöltl: Hut ab vor ihm. Es zeichnet ihn aus, dass er sich so klar äußert. Er tut das nicht erst seit dem Mord an George Floyd und seit Trumps Reaktion darauf. Er hat es schon immer getan. Popovich ist an den Vorgängen interessie­rt, er informiert sich, kennt sich aus. Manchmal spricht er uns nach dem Training auf politische Ereignisse an und fragt, ob wir das und das mitbekomme­n haben. Und wenn wir vor oder nach Auswärtssp­ielen gemeinsam essen gehen, gibt es eine Regel: Es darf über alles gesprochen werden, nur nicht über Basketball.

STANDARD: Wie sehr sind Sie besorgt? Pöltl: Ich mache mir Sorgen, nicht um meine eigene Sicherheit, sondern darüber, wie sich die USA entwickeln. Man muss befürchten, dass alles eskaliert, Trump trägt dazu bei. Die Emotionen sind auf einem Höhepunkt. Viele denken nicht nach, bevor sie etwas tun. Und wenige schaffen es, viel Aufmerksam­keit zu erzielen. Ich bin überzeugt, eine große Mehrheit der US-Polizisten verurteilt, was in Minneapoli­s passiert ist – dass ihre Kollegen einen Menschen umgebracht haben. Und natürlich ist eine ganz große Mehrheit der Demonstran­ten friedlich.

STANDARD: Glauben Sie, dass die Demonstrat­ionen etwas bewirken werden? Pöltl: Es gibt die große Hoffnung, dass sich etwas ändert. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Change. Es muss auch besser werden, es kann nicht so weitergehe­n. Deshalb ist es wichtig und gut, dass Stars aus dem Sport und anderen Bereichen dafür eintreten.

STANDARD: Rassismus ist nicht auf die USA beschränkt. Kann Österreich etwas daraus lernen, was in Nordamerik­a passiert? Pöltl: Unbedingt. Rassismus ist ein weltweites Problem. Die USA stehen auf der Skala woanders, aber Rassismus gibt es auch in Österreich. Österreich muss ebenfalls mehr gegen Rassismus tun.

JAKOB PÖLTL (24) ist der erste Österreich­er in der NBA (National Basketball Associatio­n). Nach zwei Collegejah­ren bei den Utah Utes wurde der 2,16 Meter große Wiener 2016 an neunter Stelle von den Toronto Raptors gedraftet. 2018 wechselte er zu den San Antonio Spurs. Die derzeit unterbroch­ene Saison soll sich ab 31. Juli auf dem Disney-WorldGelän­de in Orlando fortsetzen.

 ??  ?? Jakob Pöltl macht sich Sorgen darüber, wie sich die USA entwickeln. „Man muss befürchten, dass alles eskaliert, Trump trägt dazu bei.“
Jakob Pöltl macht sich Sorgen darüber, wie sich die USA entwickeln. „Man muss befürchten, dass alles eskaliert, Trump trägt dazu bei.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria