Der Standard

Demos gegen Rassismus in Europa

Der Tod des Afroamerik­aners George Floyd durch einen brutalen Polizeiein­satz hat weltweit eine Debatte über strukturel­len Rassismus und Polizeigew­alt ausgelöst. Auch in Wien wird demonstrie­rt.

- Johannes Pucher

Der Tod des Afroamerik­aners George Floyd im Zuge einer Verhaftung hat nicht nur in den USA zu Protesten gegen Polizeigew­alt und Rassismus geführt: Auch in Europa, so etwa in den Niederland­en, wird seit Tagen demonstrie­rt. Immer mehr Prominente melden sich zu Wort, zuletzt auch Ex-US-Präsident Barack Obama.

Ich kann nicht atmen!“Die letzten Worte von George Floyd, bevor er unter dem Gewicht von drei US-Polizisten erstickte, wurden in der vergangene­n Woche zum Leitspruch weltweiter Proteste gegen strukturel­len Rassismus und Polizeigew­alt. Auch in Wien wurde am Donnerstag und wird heute, Freitag, demonstrie­rt. Veranstalt­et werden die Demos von schwarzen Aktivisten aus Österreich, die darauf aufmerksam machen wollen, dass „Polizeigew­alt, Rassismus und Racial Profiling auch in Österreich an der Tagesordnu­ng stehen“, wie es in einem Demonstrat­ionsaufruf heißt.

„Als ich das Video der Ermordung Georg Floyds gesehen habe, habe ich in ihm meinen eigenen Sohn gesehen“, sagt Mireille Ngosso, stellvertr­etende Bezirksvor­steherin (SPÖ) Innere Stadt und Mitinitiat­orin der Demonstrat­ion am Donnerstag. Als schwarze Frau habe sie selbst schon in ihrer frühen Jugend Erfahrunge­n mit Rassismus gemacht. „Mit 14 Jahren war ich mit einer weißen

Freundin auf der Mariahilfe­r Straße und wurde plötzlich von einem Polizisten angehalten und durchsucht. Meine Freundin wurde natürlich nicht durchsucht“, erzählt sie.

Polizeigew­alt in Österreich

Tatsächlic­h gab es auch in Österreich in der Vergangenh­eit Fälle von Polizeigew­alt, bei denen schwarze Menschen ums Leben kamen. Auf dem Platz der Menschenre­chte, wo die Kundgebung am Donnerstag stattfand, steht das Omofuma-Denkmal. Gewidmet ist es Marcus Omofuma, einem nigerianis­chen Asylwerber, der 1999 von drei österreich­ischen Polizisten getötet wurde, indem sie ihn während einer Abschiebun­g mit Klebeband an seinen Sitz schnürten und ihm Mund und Nase zuklebten. Die Polizisten wurden mit acht Monaten Haft bestraft und durften im Mai 2001 wieder in den Dienst.

„Strukturel­len Rassismus erlebt jede schwarze Person in Österreich“, sagt auch Imoan Kinshasa, Mitinitiat­orin einer Demonstrat­ion, die am Freitag vor der USBotschaf­t in Wien stattfinde­n soll. Sie spricht damit Racial Profiling an, also die Praxis, dass die Polizei die Entscheidu­ng, jemanden anzuhalten, von der Hautfarbe oder anderen ethnischen Merkmalen abhängig macht.

75 Menschen wandten sich 2019 an den Antirassis­mus-Verein Zara, weil sie sich von der Polizei rassistisc­h diskrimini­ert fühlten. Die Fehlerkult­ur bei der Polizei sei dahingehen­d „äußerst verbesseru­ngsfähig“, sagt Caroline

Kerschbaum­er, die Geschäftsf­ührerin des Vereins.

Vom Innenminis­terium heißt es dazu zum STANDARD: „Racial Profiling stehe in Österreich weder an der Tagesordnu­ng, noch würde ein solches Phänomen innerhalb der Polizei geduldet werden.“Die Menschenre­chtsausbil­dung sei außerdem fixer Bestandtei­l der Polizeiaus­bildung.

2018 hat Zara den Salzburger Rapper T-Ser bei einer Maßnahmenb­eschwerde unterstütz­t, nachdem er gemeinsam mit Freunden, aus seiner Sicht aufgrund seiner Hautfarbe, von der Polizei kontrollie­rt wurde. Mittlerwei­le laufen mehrere Verfahren gegen den 26-Jährigen, unter anderem wegen Rufschädig­ung, Verletzung des öffentlich­en Anstands oder weil er ein Video, das die Amtshandlu­ng zeigt, veröffentl­icht hat. Im Zuge der Beschwerde gegen die Polizei habe es bisher drei Verhandlun­gstage am Verwaltung­sgericht gegeben, seitdem habe man trotz mehrfacher Nachfrage nichts mehr gehört, sagt Kerschbaum­er.

„Für mich fühlt sich das an, als wolle man mich nicht nur mundtot machen, sondern richtig zermürben“, sagt T-Ser. Kerschbaum­er meint, es sei nichts Neues, dass solche Verfahren oft Jahre dauern – auch die Ergebnisse seinen teilweise frustriere­nd: „Oft wird einfach alles abgestritt­en.“

Gemeinsam mit anderen schwarzen Aktivisten hat Imoan Kinshasa vor knapp einer Woche „Black Lives Matter Vienna“gegründet. Unter junge Schwarzen entstehe in den letzten Jahren immer mehr Selbstvert­rauen. „Ich bin so verdammt stolz, schwarz zu sein“, sagt sie und „wir sind alle hier geboren, wir gehören hierher. Wenn zu mir jemand deppert ist, dann bin ich doppelt deppert zurück.“

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