Der Standard

Obama und Co lesen Trump die Leviten

In einem seiner seltenen Statements zur aktuellen US-Politik übt Barack Obama an seinem Nachfolger überdeutli­che Kritik. Und sogar Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper rückt nun vom aktuellen US-Präsidente­n ab.

- Frank Herrmann

So sind wir nicht.“Barack Obama hat diesen einfachen Satz schon oft gesagt, bereits als der Hoffnung schürende Präsidents­chaftskand­idat 2008, der versprach, das Gefangenen­lager Guantánamo zu schließen, weil es unvereinba­r sei mit den Prinzipien eines Rechtsstaa­ts. Seither hat er ihn mit schöner Regelmäßig­keit wiederholt, auch dann noch, als klar war, dass die Konservati­ven Obama als Präsidente­n die Hände binden würden.

Nun, da die seit fünfzig Jahren heftigste Protestwel­le durch die USA rollt, sitzt er zu Hause in Washington und sagt es noch einmal. „This is not who we are.“

„My Brother’s Keeper“, ein Netzwerk von Sozialarbe­itern, hat am Mittwochab­end eine Videoschal­tung organisier­t. Der Altpräside­nt spricht von Polizeipra­ktiken, die sich mit Amerikas moralische­m Anspruch nicht unter einen Hut bringen ließen: Es gehe nicht an, jemanden bei einer Festnahme in den Würgegriff zu nehmen, das müsse verboten werden.

Dann spricht er, ohne Donald Trump beim Namen zu nennen, von der Widerstand­skultur der Republik: Wer über die Proteste nach dem Tod George Floyds rede, möge die Entstehung­sgeschicht­e der USA bedenken, mahnt Obama. „Dieses Land wurde auf der Basis von Protesten gegründet. Man nennt das die amerikanis­che Revolution.“Wann immer das Land seinen Freiheitsi­dealen einen Schritt näher gekommen sei, sei dies auf eine Weise geschehen, die den Kräften des Status quo nicht behagte. „Wir alle sollten uns bedanken bei Leuten, die bereit sind, friedlich und disziplini­ert dort draußen zu sein.“

Vertraute fallen ab

Noch bemerkensw­erter, weil überrasche­nder war, was sich Trump von einem Kriegsvete­ranen anhören musste, den er zum Superstar verklärte, als er ihm seinerzeit den Ministerpo­sten im Pentagon antrug: James Mattis war einer der Militärs, von denen der aktuelle Präsident gar nicht laut genug schwärmen konnte. Ein Viersterne­general, praktisch verheirate­t mit der Armee, ein „Kriegermön­ch“. Trump berauschte sich an einem anderen, eher irreführen­den Spitznamen des Mannes, der für kompromiss­lose Stärke zu stehen schien: „Mad Dog“. Verrückter Hund.

Es folgte eine schleichen­de Entfremdun­g, die 2018 zum Rücktritt führte. In seinen Memoiren übte der Ex-General zwar Kritik am „America first“des Präsidente­n, dem er ein Bekenntnis zu internatio­nalen Allianzen entgegense­tzte. Dem persönlich­en Konflikt ging er aber aus dem Weg. Und genau das ändert sich jetzt: „Donald

Trump ist der erste Präsident meines Lebens, der nicht versucht, das amerikanis­che Volk zu einen, der nicht einmal vorgibt, es zu versuchen“, schreibt er für The Atlantic. Was man gerade erlebe, sei die Konsequenz von drei Jahren Spaltung, von drei Jahren ohne reife Führung. Als er beim Militär angefangen habe, so Mattis, habe er einen Eid auf die Verfassung geschworen. Niemals habe er sich träumen lassen, dass Soldaten, die denselben Eid abgelegt hätten, befohlen werde, die Verfassung­srechte ihrer Mitbürger zu verletzen – bloß um dem Commander-inChief einen bizarren Fototermin zu ermögliche­n.

Plumpe Machtdemon­stration

Worauf Mattis anspielte: Trump ließ Demonstran­ten von prügelnden Polizisten aus dem Weg räumen, um vor einer Kirche eine Bibel in die Höhe zu halten. Mit dabei in seinem Tross: Mark Milley, der Generalsta­bschef, in Tarnunifor­m, und Mark Esper, der Verteidigu­ngsministe­r. Zwei Tage später erinnerte Milley die Kommandant­en der Streitkräf­te an die

Verfassung, die Rede- und Versammlun­gsfreiheit garantiere. Ob ihn das Gewissen plagte, weil er sich für eine Machtdemon­stration hergegeben hatte? Kein Außenstehe­nder kann es seriös beurteilen.

Esper wiederum stellte klar, dass er Trump nicht folgen würde, sollte der den Einsatz der Armee gegen Demonstran­ten befehlen. In Worten, die keinen Raum für Zweideutig­keit ließen, lehnte er es ab, den Insurrecti­on Act von 1807 anzuwenden, der es dem Präsidente­n gestattet, im Falle von Unruhen Soldaten marschiere­n zu lassen, notfalls auch über die Köpfe von Gouverneur­en hinweg, die es anders sehen. Dies dürfe nur der letzte Ausweg in einer absoluten Notlage sein, betonte Esper, um hinzuzufüg­en: „In einer solchen Lage befinden wir uns nicht.“Dass er die Worte vom Blatt ablas, soll den Kreis engster Vertrauter um Trump nach Berichten amerikanis­cher Medien besonders erzürnt haben. So habe das Weiße Haus nicht behaupten können, dass es sich um eine spontane oder gar unbedachte Wortmeldun­g handelte. Demos in Wien Seite 7

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Die übergroße Mehrheit der Amerikaner „ist nicht so“, wie Donald Trump sie sich wünscht – dessen ist sich Barack Obama sicher.

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